Messa da requiem, Staatsoper

Messa da requiem Foto: Brinkhoff/Mögenburg



Gefühlsintensive Messe

Zwei Religionsskeptiker treffen aufeinander. Der aheistisch eingestellte Verdi vertont die Liturgie einer Totenmesse und der Skandalregisseur Calixto Bieito inszeniert dieses Werk an der Hamburger Staatsoper. Doch statt Aufrührerisches und Provozierendes wurde in der "Messa requiem" Aufwühlendes und Anrührendes geboten. Bieito horcht genau auf die Musik und erfindet Geschichten, die er die vier Solisten verkörpern lässt. Bühnenbildnerin Susanne Geschwender hat dazu einen Bühnen hohen Setzkasten, ein überdimensioniertes Schachtelregal erfunden, das zu immer neuen Formen zusammen gesetzt werden kann.
Am Anfang ist die Familienwelt noch in Ordnung. Der Sohn spielt mit Mutter (Maria Bengtsson) und Vater (Dmytro Popov) ausgelassen Ball auf der Vorderbühne. Doch dann rollt der Ball ins Leere. Und das Orchester und der Chor donnern mit "Tag des Zorns" in die Idylle. Tod und Leben sind hier ganz nah beieinander. Die Regalwände bieten Transparenz und Grenzziehung. Sie werden zu Kirchenfenstern, wenn sie bunt beleuchtet werden. Sie werden zu Totenfächern, in die die Menschen einsortiert werden. Ganz zum Schluss werden sie zu Grabkammern, aus denen die Menschen ihre Arme um Erlösung flehend recken.
Der Tod des Sohnes wird zum Wendepunkt. Im Angesicht des Todes wird auch die Beziehung zwischen den Eltern auf eine harte Probe gestellt. Der Vater gibt der Mutter die Schuld an dem Tod des Kindes und vergrößert so ihren unendlichen Schmerz. Doch auch das andere Paar auf der Bühne führt ihr Schicksal in die Konfrontation mit dem Verlust. Dann hängt die Frau (Nadezhda Karyazina) an Riemen hoch oben von der Regalwand und der Mann (Gábor Bretz) windet sich unten voller Gram und Verlustängsten.
Der Chor aus Menschen in bunter Alltagskleidung vertritt dabei das Volk, das in seinen gewaltigen Gesängen um Gnade, Erlösung und Gerechtigkeit fleht. Immer wieder stellen sie sich aber auch als Mahner an die Allmacht Gottes und seine möglichen Strafen dar.
So nehmen überraschender Weise diese beiden Religionskritiker diese Musik und seinen Inhalt sehr ernst und geben ihm auf der Bühne eine Wucht, die bis in die letzten Reihen spürbar ist. Das liegt auch an dem einfühlsamen Dirigat von Kevin John Edusei und an den anrührenden Stimmen der vier Solisten. Eine besondere Rolle kommt in dieser Umsetzung dem Chor zu, der zu den eindrucksvollen Bildern in den Regalfächern beiträgt. Ein beeindruckender, gefühlsintensiver Abend in der Staatsoper.
Birgit Schmalmack vom 21.3.18