Kristina und Descartes, Sprechwerk
Amüsante Philosophiestunden
Nicht nur im Fechten und bei der Liebe erteilt Descartes (Thomas Lindhout) seiner Geliebten Kristina (Kathrin Austermayer) Lektionen sondern beim Philosophieren. Denn er ist als Hofphilosoph am ihrem schwedischen Hofe angestellt. Ebenso abwechselungsreich ist das Theaterstück von Josh Goldberg zu dieser Begegnung im Stockholm des Jahres 1650 angelegt. Der Zuschauer darf sie beim Wälzen unter den Bettdecken, bwim zärtlichen Massieren, beim Fechttanz um den Tisch wie auch beim denksportlichen Ritt durch 2500 Jahre Philosophie verfolgen.
Dem Beginn Monotheismus begegnet man ebenso wie dem Rationalismus, der Kantsche Imperativ wird ebenso behandelt wie die Unbedingtheit der Logik. Kristina darf die Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Gut und Böse und nach dem Freien Willen des Menschen stellen. Da Descartes für sich in Anspruch nimmt, dass der Mensch auf jede denkbare Frage auch eine Antwort finden kann, versucht er ihr keine schuldig zu bleiben. Er benutzt alle Kanäle, um seiner Königin zum Lernfortschritt zu verhelfen. Auch ein kleines Schattentheater inszeniert er für sie, um ihr den Unterschied zwischen Schein und Realität zu demonstrieren. Kopf, Herz und Körper wirken bei ihm zusammen, um ihr zu neuen Erkenntnissen zu verhelfen.
Erst als er seiner Lieblingsthese „Ich denke, also bin ich“ genauer erläutert, dämmert es Kristina, auf welchen Egomanen sie sich hier eingelassen hat. Ein Du oder Wir kommt in seiner Lebensgleichung gar nicht vor. Nur das Ich als Maß der Selbsterkenntnis und Erschaffung der eigenen Realität ist diesem Macho heilig. Zu einer wahrhaftigen Liebe ist er nicht fähig. So macht sie kurzerhand Schluss, mit diesem vermeintlich ganzheitlichen Austausch, mit dieser Illusion einer Liebe und mit dem Leben.
Doch zum Glück für ein Happy-End ist an dieser Stelle das Stück von Goldberg noch nicht zu Ende: Es folgt ein Sprung in die Gegenwart. In Jeans und T-Shirt begegnen sich die Beiden wieder. Phil und Sophie heißen sie jetzt. Sophie kann sich nun ganz im Zeichen der mittlerweile erfolgten Emanzipation revanchieren: Sie erweitert die Ichbezogenheit Descartes um den beziehungsreichen Satz: Ich fühle dich, also bist du.
Goldberg hat ein sprachlich ausgefeiltes, um bon mots nie verlegenes Stück geschaffen, das auf unterhaltsame, nie zu tiefschürfende Art Philosophie unters Theatervolk bringt. So können sie in zwei Stunden die Grundzüge der philosophischen Entwicklung Europas nachvollzogen werden, ohne sich je zu überanstrengen.
Birgit Schmalmack vom 13.5.14