Privattheatertage 2017

Die Gala der Privattheatertage



Moderne Klassiker?

Was macht einen Klassiker modern? Das war das Thema der Abschlussdiskussion der diesjährigen Privattheatertage. Die Antwort fand man auch im laufenden Programm des Festivals. "Michael Kohlhaas" in der konzentrierten Ein-Mann-Umsetzung des Bonner Euro Theater Central-Theaters mit Michael Meichßner war ein solch geglücktes Zusammentreffen von schauspielerischem Können, geschickter Textfassung und einfühlsamer Regieführung. Dass man "Anna Karenina", einen Roman von knapp 1300 Seiten, in 90 Minuten auf der Bühne erzählen und dennoch die wichtigsten psychologischen Hintergründe erfassen kann, bewies die herausragende Arbeit von Marion Schneider-Bast vom Theater Die Tonne aus Reutlingen. Die beiden Schauspieler waren nicht nur das Pärchen Kitty und Levin sondern schlüpften scheinbar übergangslos zwischen schwingenden Birkenstämmen in die Rollen von Anna Karenina, ihr Ehemann Karenin und ihr Geliebter Vronski. Ein rundum gelungenes Theatererlebnis!
Auch die Sparte Boulevard war vertreten. Vom Schlossparktheater aus Berlin kam der "Fehler im System", eine versiert inszenierte Sience-Fiction-Liebes-Komödie zwischen einer jungen Frau und einem Roboter, der zum Schluss selbst auf den eigenen Resetknopf drückt. Das Publikum spendete im Altonaer Theater begeisterten Applaus.
Ebenso euphorisch reagierten die Zuschauer nach der Aufführung von "Meeresrauschen" in den Kammerspielen. Das Singspiel in Livias Bar ließ Flüchtlinge, Schlepper und Kapitäne zusammentreffen. Die Inszenierung vom Theater Metronom aus Visselhövede von Gero Vierhuff versuchte auf unterhaltsame Art gesellschaftspolitische Probleme zu thematisieren und in neunzig Minuten die gegenseitigen Verstrickungen in dem Milliarden-Flucht-Business anzureißen. Der Balanceakt zwischen Unterhaltung und Aufklärung entschied sich jedoch allzu oft zugunsten des ersteren.
Dass Musiktheater schmissig, unterhaltend und dennoch politisch engagiert, äußerst hintergründig und vielschichtig sein kann, bewies "Ein Tanz auf dem Vulkan", das im Ernst Deutsch Theater als Gastspiel des Alten Schauspielhauses aus Stuttgart gezeigt wurde. Die Zwanziger Jahre in Deutschland und Stuttgart wurden in der Inszenierung von Manfred Langner und Horst Maria Merz auf die Bühne gebracht. Liedgut, Tanzeinlagen, authentisches Bildmaterial, Spielszenen um historische Tatsachen und Persönlichkeiten spulten sich in schneller Szenenfolge auf der Bühne ab. Doch auch mit Bezügen zu heute wurde nicht gespart. Ein Kulturbeauftragter der neuen Regeierung wohnt der Generalprobe bei und spart nicht mit Anmerkungen im Stile von Björn Höcke und Frauke Petry.
Die drei Inszenierungen, die dieses Jahr von der Jury mit Preisen in den einzelnen Kategorien bedacht wurden, waren: "King Charles III:" von der Bremer Shakespeare Company (Drama), "Michael Kohlhaas" (Klassiker) und "Das Abschiedsdinner" vom Münchner Metropoltheater (Komödie).
Zum ersten Mal zogen die Privattheatertage neben den bekannten Spielstätten auch zwei neue mit ein: das Monsuntheater und das Theater im Zimmer. Das bunt gemischte Programm bot für jeden etwas und enttäuschte auch anspruchsvolle Zuschauer nicht.
Birgit Schmalmack vom 26-6-17