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| Totentänze, Radialsystem |
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Totentänze, Radialsystem
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Leben bis man stirbt
Wie schwarze Todesvögel umschwirren die Tänzer die Musiker. Sie versuchen sie in ihren Bann zu ziehen. Zur Abwehr dieser Geister des Jenseits kann man versuchen sich in der Gemeinschaft zu stärken, die Todesmächte durch Bewegung zu verscheuchen oder sich in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen. "Meine Lebenserwartung ist hoch," beruhigt sich Annedore Kleist. Sie sei schließlich Meister in Wiederverwertung von Plastiktüten, lebe gesund, treibe Sport, sei amalganfrei und esse kaum Fleisch. Auch wenn sie Schlingensief zitiert, der angesichts seines nahen Todes den Menschen zurufen wollte, wie toll es sei, auf der Erde zu sein, versucht sie das Leben zu symbolisieren. Doch auch sie trägt schwer an dem schwarzen dicken Fellmantel, der sie fast zu Boden zu drücken scheint. Düster sind die Kostüme in der neuen Produktion von "Nico and the Navigators", in der sie Totengesänge anstimmen. Lange schwarze Röcke, dunkle Kutten, schwarze Fellüberhänge bedecken nicht nur die Körper sondern auch oft das Gesicht. Tapfer stellt sich das Ensemble dem Angst einjagenden Ende entgegen. Sie werben für ein Leben angesichts des Todes. Dafür haben sie ein kontrastreiches Programm von Musikstücken zusammengestellt. So folgt zum Beispiel auf John Dowland "Come, heavy sleep" Sebastians Bachs "Ich freu mich auf meinen Tod". Alle Beteiligten, die Musiker und die Sänger steuern ihre ganz eigenen Erfahrungen mit dem Tod zum Abend bei. Ted Schmitz erzählt von seiner Großmutter, die zu jedem Todesfall in der Familie eine ganz persönliche Patchworkdecke anfertigte. Nach ihrem Tod übernahm eine Enkelin diese Tradition. Der Schlagzeuger Philipp Kullen berichtet von seinem 94-jährigen Opa, der schon lange gehen wollte und endlich einen Intensivstationsaufenthalt dazu nutzte, um mit dem behandelten Arzt ein ernstes Wort zu reden. Die Violinistin Elfa Run Kristindottir begegnete dem Tod, als ihr vierjähriger Sohn sterbenskrank wurde und sie nicht wusste, ob er es überleben würde. Die geschickte Komposition des Abends aus Text, Musik und Tanz steigert sich in der zweiten Hälfte zu einem stetigen Auf und Ab der Gefühle. Immer wieder werden die aufgebauten Stimmungen gekonnt gebrochen. "I am going to live until I die", verkündet Ted Schmitz doppeldeutig, während die Tänzer mit ihren Bewegungen versuchen die Geister des Todes zu vertreiben. Wenn Schmitz "Total Eclipse" als melancholischen Kapitulation vor dem Sterben anstimmt, schmettert die Sopranistin Julia von Landsberg es wie ein wütendes, rockiges Aufbegehren dagegen an. Als er ganz in weiß auf die Bühne kommt und sein weißes Fell unter sich ausbreitet, wirkt er auf einmal wie ein Engel auf einer Wolke. Natürlich nur so lange, bis im nächsten Lied der schwarz umflorte Bariton Nikolay Borchev sie ihm streitig macht, indem er sie einfach besetzt. Zum Schluss bestäubt Borchev die Tänzerin Yui Kawaguchi mit weißer Asche, bis ihr Haar ganz weiß ist. Zwischenzeitlich hat der Tänzer Ruben Reiniers auf der schwarzen Rückwand mit weißes Kreide eine Lebenslinie aufgemalt. Während das Ensemble das Eingangslied "Legt euch ruhig nieder" anstimmt, markiert er in seiner Linie die Mitte mit einem dicken Querbalken. Dass die Produktion "Niemand stirbt in der Mitte seines Lebens" hieß, demonstriert genau den hintersinnige Humor, den diesen Abend auszeichnet. Birgit Schmalmack vom 29.7.19
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Deep Web, Kraftwerk Nach dem Kuss, Globe Berlin
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