Der Abgleichsnachbar mit dem Verlierer-Konjunktiv

Irvar sinkt ermattet auf sein rotes Roller-Sofa; mal wieder hat er sich einen Freitag-Abend mit seiner Frau Unni bei seinen feinen Nachbarn um die Ohren schlagen und seine Rolle ab Abgleichsnachbar spielen müssen. Ivar ist es leid. Er will für seine Nachbarn nicht mehr den Statisten in ihrer snobistischen Auftrumpfungsshow geben. Doch noch mehr als sein eigenes Schauspiel nervt ihn die Begeisterungsfähigkeit seiner Frau für all den Schnickschnack. Erst als er auf den Trick verfällt, seiner Frau zum Schein den Kauf der bewunderten teuren Küchenmaschine mit Planetenrührwerk zu empfehlen, fällt ihr wieder ein, dass sie all diese Oberflächlichkeiten gar nicht brauchen. Just in diesem Moment erscheint der Nachbar Masello Kusa. Ob als Fantasie-Erscheinung oder in Realität, ist nicht ganz auszumachen. Das Hemd hängt ihm aus der Hose und das ein oder andere Gläschen er auch schon gebechert. So gesteht er, dass das Ehevollstreckungsprogramm, des den Freitagabend krönen sollte, nicht wunschgemäß verlaufen sei. Seine liebe Frau Monika sei manchmal für ihn wie ein Knäuel Wolle. Wenn er am falschen Ende ziehen würde, sei alles verheddert und er den ganzen Abend damit beschäftigt die Fäden wieder zu entwirren. Das rote Roller-Sofa mit der Kiste Astra davor wird für Masello zur abendlichen Rettungsinsel. Sein viel feineres Alcantara-Sofa in seinem eigenen Wohnsalon steht derweil leer.
Die neue Wohnzimmer-Bühne in Barmbek "Feine Künste" lädt zum Wohlfühlen, Unterhalten, Amüsieren und Nachdenken ein. Die beiden Gastgeber, der Regisseur Jens Paarmann und der Musiker Schick, haben auf ihrer Bühne ein passgenaues Stück in Szene gesetzt, das ihnen der Autor Matthias Trawny ganz auf Maß geschrieben hat. Die nachdenkliche Geschichte "Alles muss raus" um die vermeintlichen Werte der spießigen Bürgerlichkeit unterhalten bei einem Glas Wein oder Saft aufs Beste. Die drei Schauspieler brillieren in ihren Rollen. Thorsten Neelmeyer überzeugt als schluffiger Biertrinker. Der Schlagabtausch zwischen Oliver Törner und Alexandra Neelmeyer auf dem Sofa zeigt die hohe Kunst des Redens und Schweigens.
Birgit Schmalmack vom 24.3.17