|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
| Geisterbahn, Kampnagel |
|
|
Geisterbahn, Kampnagel
|
Der Mensch als Pflanze
Ist der Mensch ein einzigartiges Wesen unter der Schöpfung oder ist er nur eine besondere Unterart der Pflanzen? Darf die Moral die Erkenntnis beschränken oder ist im Dienste der Wissenschaft alles erlaubt? Darf ein Mensch im Dienste der Moral einen Mord verüben? Diesen dringenden Fragen widmet sich das Kommando Himmelfahrt in seiner neuen Produktion. Dazu hat es nicht etwa ein heutiges Thesenpapier zur Rate gezogen sondern ein Werk aus dem 17. Jahrhundert. Dort stellte der Arzt und Philosoph Le Mettrie mit seinem Buch „Der Mensch als Pflanze“ aufrührerische blasphemische Hypothesen auf, die die damalige Gesellschaft völlig überforderten: Hat nur der Mensch ein Recht auf Sexualität oder sind auch Pflanzen erotische Wesen? Ist dem Menschen demzufolge erlaubt Sex mit Pflanzen zu haben? Noch heikler wird es als Le Mettrier zur praktischen Erprobung auf die Züchtung einer Alraune seines Freundes Earl Tyrconell zurückgreift. Aus Eifersucht, Rache und Entrüstung vergiftet dieser den Erkenntnis-Suchers. Von dieser dramatische Geschichte erzählt die Oper, die Jan Dvorak zu Texten Le Mettries für den Abend komponiert hat. Die Geisterbahn entpuppt sich als Operngeschehen, in das die Zuschauer live eintauchen können. Sie sind zu Gast in Le Mettries Wohn- und Arbeitszimmer. Sie hören seine Tagebuchaufzeichnungen. Sie lauschen seinen Arien, sie erleben seine Annährungen an die schöne Alraune, sie sind zu Gast, wenn er mit Voltaire, Bach und Tyrconell speist, sie sind live dabei, wenn er an der vergifteten Speise zugrunde geht. Im nächsten Raum hören sie ihn aus seinem Grabe heraus noch immer kichern, während Tyrconell sich in seinen schwülstigen Grabesreden ergießt und die Zuschauer auffordert, ihm nun Absolution für seine Tat zu erteilen und oder sie für moralisch fragwürdig zu erklären. Dafür gibt es zwei verschiedene Ausgänge aus der Geisterbahn. In jedem Fall werden die Zuschauer abgestempelt: Ja für die absolute geistige Freiheit ohne jede moralische Einschränkung oder Nein für die Aufrechterhaltung moralischer Grenzen. Hinter der ersten Tür erwartet sie der Rausch eines türkis schimmernden Absinths und hinter der zweiten der Genuss eines traditionellen Rotweins. Kommando Himmelfahrt eröffnet der Oper ganz neue abenteuerliche Erlebniswelten. So spannend und philosophisch kann Oper sein. Fast so aufregend wie der Besuch einer Geisterbahn. Birgit Schmalmack vom 9.5.16
|
|
|
Zur Kritik von
|
|
Finnisch, Monsun
|
Druckbare Version
|
|
|
|
|
|
|
|