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suan, Sophiensäle

Sanfte Grenzerweiterung



Dieser Tanz ist Anmut, Zartheit und Geschmeidigkeit pur. Aber auch klares Regelwerk, das sogar die Handbewegungen genauestens vorschreibt. Ebenso wie den sanften Hüftschwung, die ausbalancierte Rumpfbeugung oder die kleine Drehung, bevor ein Fuß vor den anderen gesetzt wird. Alles fließt in langsamen Wellen über die Bühne. Die fünf Tänzer:innen umrunden erst sorgsam schreitend die Bühne, bevor eine von ihnen diese betritt und die kupferfarbenen Strahlen, die auf den Boden geklebt sind, wie Energiequellen für ihre Bewegungen berührt. Doch sie sind noch mehr. Mit ihnen kann sie bei Kontakt mit ihrer Haut Töne erzeugen, die die elektronische Tonspur beeinflussen. Sie wird so zu einem Teil der Soundinstallation, die Nguyen+Transitory für ihr Stück „suan“ eingerichtet haben. In ihm erkunden sie mit ihrem Ensemble die Möglichkeiten die Regel sanft zu verschieben und Grenzen zu überschreiten.
Die zwei Tänzerinnen, die danach den Bühnenboden betreten, bewegen sich zunächst mit großen Anstandsabstand zueinander. Sie umrunden sich zaghaft. Sie umkreisen ihre jeweiligen Körperteile, aber ohne sich zu berühren. Man merkt, wie sich langsam das Energiefeld zwischen ihnen aufbaut, bis sie endlich eine erste Berührung wagen. Sie steigern sich in eine Vereinigung, die zarte Erotik verspüren lässt.
In der nächsten Sequenz ist die Tänzerin zunächst die Umworbene in der Mitte der zwei Männer. Sie lässt sich auf ihr Spiel ein, bis sie sehr sanft aber bestimmt die beiden Männer zusammenschiebt und ihnen ganz allmählich das Feld überlässt. Die intensive Kontaktaufnahme der beiden Männer kann beginnen und endet erst, als beide am Boden aufeinander zu liegen kommen.
Zusätzlich zu dem Soundtrack benutzt das Team auch traditionelle Instrumente, die zum Teil elektronisch verstärkt werden. Zum Schluss fließen alle Teile zusammen. Die traditionellen Bewegungs- und Musikformen werden mit den erweiterten Möglichkeiten zu einem harmonischen Ganzen verbunden. Alle Beteiligten sind gemeinsam auf der Bühne und bilden mit ihren frisch erkundetem Bewegungsmaterial eine Tanzgemeinschaft.
Nach dem Schlussapplaus kommen alle noch einmal auf die Bühne, doch nicht um sich nochmals zu verbeugen, sondern um das Publikum mit auf die Bühne zu bitten. Zusammen tanzen alle völlig gelöst von jedem Regelwerk, aber dennoch angeregt durch das neue Bewegungsmaterial, das die Künstler:innen im Eins-zu-Eins-Modus anbieten. Das war eine Arbeit, die den Einblick in die thailändische Bewegungskultur erlaubte und zeigte, wie auch die engen Grenzen eines Zeremoniells mit sanften Methoden überschritten werden können.
Birgit Schmalmack vom 20.8.25

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