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Lenz, Kampnagel Die zwei kurzen eingespielten Textpassagen lassen ahnen, wer hier unterwegs ist und wonach sie suchen. Es handelt sich um den Schriftsteller Lenz, der hier im Gebirge herumirrt. Er versucht sich selbst zu finden und eine Kinderleiche wieder zum Leben zu erwecken. Vergeblich. Zum Schluss verpackt der eine Lenz den anderen Lenz in eine komplette Ritterrüstung. Nun ist er zwar fast bewegungsunfähig, aber zumindest vermeintlich geschützt. Alina Sobatta versucht in ihrer Abschlussarbeit die Erzählung „Lenz“ von Georg Büchner in eine performative Bewegungsarbeit ohne Worte zu übertragen. Sie hat den Mut, sich ganz vom Text zu lösen.

Die Möwe, Körber Ohne dass Peil das Stück in seiner Gänze nachspielen muss, kommt er seinem Inhalt sehr nahe, denn es scheint ganz aus der Lebenswirklichkeit seines Teams (und des Publikums beim Körber Junge Regie Festival) gegriffen zu sein. So flogen am Schluss die Rosen in großen Mengen auf die Bühne.

Körber 2025, Thalia Paula Schlagbauer von der Otto Falckenberg Schule widmet sich in ihrem Stück "Bavarokratie", das zusammen mit einem multiprofessionellen und multikulturellen Team aus Deutschen und Griechinnen entstanden ist, weniger den politischen Verwicklungen als vielmehr dem Zusammentreffen der beiden Kulturen, das durch die ungleichen Machtverhältnisse belastet ist. Klar erschien das Konzept der zweiten Inszenierung am Eröffnungstag, "Im Grünen" von Fides Rosa Wallis und Teresa Jägle von der Uni Hildesheim. Sie trägt zwar das Grün im Titel, aber auf der Bühne sind nur verdorrte Baumstämme zu sehen, die schon lange kein Grün mehr gesehen haben. Ein melancholischer und dennoch humorvoller Abgesang auf die Natur inklusive des Menschen, der sie zerstört hat.

Holzfällen, Kampnagel Das fügt sich zu einem Gesamtwerk, das in seiner Aussage keine Fragen mehr offenlässt. So war die Reaktion des Hamburger Publikum in der vollgefüllten Kampnagelhalle beim Gastspiel im Rahmen des Hamburger Theaterfestivals einhellig begeistert. Zumal man sich hier in bequemer Sicherheit wiegen und belustigt die lächerlichen Verhältnisse im fernen Wiener Kunstbetrieb schmunzeln konnte. Ein ungetrübter Genuss also, den der Intendant des Festivals hier seinem distinguierten Publikum in Schmäh-freien Hamburg bescherte.

Die Nichtstuenden, Lichthof „Das Nichtstun ist und bleibt die unverschämteste Form des Handelns“. Das Nichtstun als ein Akt des Widerstands? Als eine Rückbesinnung auf das Eigentliche? Als eine Form der Meditation, die das Gehirn erst richtig zum Arbeiten bringt? Als einen Hinweis auf die Vergeblichkeit allen Leistungsstrebens? Das ist wahrhaft revolutionär. So betraten Meyer&Kowski eine völlig neue Welt, als sie von der DO-NOTHING-INITIATIVE erfuhren, die eine Konferenz am Lake Bled in Slowenien veranstalteten. Sie meldeten sich an. So behaupten sie wenigstens am Abend im Lichthof. Um den Zuschauer:innen einen Eindruck von dieser anderen Welt zu vermitteln, sie eintauschen zu lassen, haben sie ihnen ein Reanactment von zwei Programmpunkten vorbereitet.

Ellen Barbic, Kammerspiele Wenn die Lüge von außen in die private Sphäre der Wohnung hineinwabert, breitet sie sich auch hier in der großen schicken Altbauwohnung aus. Ein hochspannendes psychologisch fein gesetztes, intelligentes Kammerspiel, das vom Team an den Kammerspielen sensibel umgesetzt wurde. Zum Glück ohne die Stellen, die das Publikum zu unfreiwilligen Lachern anstiften, auszuweiden und in die Ecke der Übertreibung zu drängen. So behalten alle Charaktere auf der Bühne ihre Würde und erlauben ein Einfühlen in ihre ganz persönlichen Wahrheiten bzw. Lügengebäude. Jede einzelne von ihnen erscheint glaubwürdig und nachvollziehbar, doch im Aufeinandertreffen offenbart sich die Unvereinbarkeit ihrer Narrative. Wo alles von Lüge und Manipulation durchzogen ist, kann keine gemeinsame Wahrheit entstehen.

Michael Kohlhaas, Theater Das Zimmer Immer wieder müssen die beiden Schauspieler zum Endapplaus auf die kleine Bühne kommen. Das bis auf den allerletzten Platz (inklusive Klappstühle aus der Abstellkammer) gefüllte Theater zeigte sich zu Recht völlig begeistert von der Inszenierung, die ohne den Text zu verändern, das Stück so behutsam in die heutige Welt übertragen hat, dass sich die Handlung ganz natürlich in einer Amtsstube entwickeln konnte. Ein kleines Kunststück, das hervorragend funktionierte.

Töchter einer neuen Zeit, Ernst Deutsch Theater Wie sich nun diese Frauen, ihre Mütter, Väter, Geschwister und Partner:innen durch dieses Wirrwarr der Zeit lavieren, ist ebenso vereinnahmend wie berührend. Regisseur Gil Mehmert verlangt in seiner Inszenierung des ersten Bandes von Carmen Korns Romantrilogie „Töchter einer neuen Zeit“ durch den rasanten Szenenwechsel mit dem großen Personal durchaus ein hohes Level an Aufmerksamkeit; nicht nur von seinem Ensemble, sondern auch von den Zuschauenden. Ein Stück, das quasi aus einer Aneinanderreihung von Cliffhanger besteht, erfordert eine gewisse Anstrengungsbereitschaft, die die Unterbrechungen des Erzählflusses im Kopf wieder verknüpft. Dennoch verfolgt man dem Geschehen fasziniert, denn die sich ergebenden, persönlichen Geschichten der Frauen erlauben das direkte Einfühlen in diese Zeit.

Ich weiß nicht, was ein Ort ist, ich kenne nur sei Zum Schluss weiß man nicht mehr, waren das jetzt neunzig Minuten oder vierundzwanzig Stunden? Das hat man mit den drei Spieler:innen auf der Bühne gemeinsam. Haben sie jetzt sechs Stunden Sommernachtstraum hinter sich oder wie sie am Ende behaupten doch eher 24 Stunden? Oder sind sie vielleicht doch pünktlich zur letzten Szene auf die Bühne gekommen, wie sich eine von ihnen fragt. Auf jeden Fall stolpern sie in ihren historischen Kostümen vor den noch geschlossenen Vorhang und versuchen sich zu erinnern. Natürlich verschwimmt alles. Das Große mit dem Kleinen. Das Unwichtige mit dem Tiefgründigen. Das Unsinnige mit dem Philosophischen. (Fotos: Appolonia T. Bitzan)

A perfekt sky, DSH Noch hat die KI in der Realität keinen Körper, aber hier im Schauspielhaus schon: Sandra Gerling ist die „Intelligenz“, die in immer neuen extravaganten Kostümen und Frisuren auf die völlig weiße Bühne kommt, und sich ihre Gedanken über die merkwürdigen Wesen macht, denen sie immer ähnlicher werden möchte. „Ich möchte werden wie ihr, nur ohne Fehler.“ Dazu sammelt sie Daten, durchforstet Emails, Chats, Shopping-Aktivitäten, Suchverläufe und Kameraaufzeichnungen.

Die Nichtstuenden, Lichthof Das Nichtstun als ein Akt des Widerstands? Als eine Rückbesinnung auf das Eigentliche? Als eine Form der Meditation, die das Gehirn erst richtig zum Arbeiten bringt? Oder als einen Hinweis auf die Vergeblichkeit allen Leistungsstrebens? Das wäre wahrhaft revolutionär. So waren Meyer&Kowski äußerst interessiert, als sie von der DO-NOTHING-INITIATIVE erfuhren, die eine Konferenz am Lake Bled in Slowenien veranstalteten. Sie meldeten sich an und betraten eine ganz eigene Welt. So behaupten sie wenigstens am Abend im Lichthof. Um den Zuschauer:innen in sie eintauchen zu lassen, haben sie ihnen freundlicherweise zwei „Reanactments" mitgebracht.

Stunde Null, Axensprung Theater Das Axensprung Theater hat es wieder einmal verstanden, im Eintauchen in die Innereien einer Hamburger Familie die Geschichte lebendig werden zu lassen. Die Beziehungen dieser fünf Menschen bilden ein Konzentrat der Konfliktlinien zwischen den einzelnen Personen und den Bevölkerungsgruppen, für die sie stehen. Drei Freunde mit unterschiedlichen politischen Ansichten. Eine Frau, die zuerst mit dem einen, dann nach dessen Flucht mit dem anderen verbandelt ist. Und die Tochter, von dem man bis zum Schluss nicht weiß, wer ihr leiblichen Vater ist. Vier Personen, die in die Vergangenheit auf die ein oder andere Weise verstrickt sind, und eine junge Frau, die voll Hoffnung auf die Freiheit ihrer Zukunft blicken möchte.

Die schmutzigen Hände, Thalia Jan Bosse stellt in den Mittelpunkt seiner Inszenierung von Satres "Die schmutzigen Hände", die zur Eröffnung des diesjährigen Hamburger Theaterfestival als Gastspiel des Schauspielhauses Zürich im Thalia Theater zu sehen war, nicht den ideologischen Konflikt um die politischen Auffassungen, sondern die zum Scheitern verurteilte Annahme, dass es um die Suche nach der einen, richtigen Wahrheit gehen würde. Diese muss scheitern, weil genau diese Wahrheit keine Ausflüchte mehr gestatten würde. Hugo sucht und fürchtet sich zugleich vor dieser Eindeutigkeit. Er liebt die Spielchen der Belanglosigkeit, in denen alles möglich ist. Das zunehmende Gefühl der Leere und Langeweile, das sich genau deswegen in ihm ausbreitet, lässt ihn ein williges Opfer für die Ismen in der Parteiideologie werden. In einem Klima der Beliebigkeit, der Dauerevents, der Spaßberieselung gedeihen Ideologien mit strikten Handlungsanweisungen, die das Denken nicht benötigen, hervorragend.

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