It's a match, Kampnagel
Geheimnisvolle Begegnungen
„Was kommt nach der Entzauberung, wenn das Heilige und Transzendente der romantischen Liebe, wie wir sie gelernt haben, verschwunden ist?“
Denn versprechen das nicht die Dating-Apps? Werden hier nicht schon alle Koordinaten der vermeintlichen Übereinstimmung im Vornherein abgeglichen? Wo bleiben da die Überraschung und das Geheimnis, das gerade den Zauber eines Kennenlernens und Verlieben ausmachen sollte?
Das völlig konträre Modell vertrat Lohengrin von seiner Elsa: Nie sollst du mich befragen, das war seine Bedingung für seine Liebe. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich die neueste Produktion von Kerstin Steeb auf Kampnagel. Dazu lädt sie die Zuschauenden in ein immersives Labyrinth aus sieben Erlebnisstationen ein, die sie zusammen mit den Musiker:innen durchlaufen. Fahrstühle spielen hier eine besondere Rolle. Mal begibt man sich mit anderen Besuchenden in einen hinein und erlebt ein besonderes musikalisches Kurzkonzert. Mal darf sich in einem kleinen Raum tief in die Augen schauen. Mal darf sich beim Erfühlen in einem Puschelberg ganz auf sein Gefühl verlassen. Mal darf man sich auf einem Sofa räkelnd ein Bild von sich machen lassen. Mal kann die fast hundert Selfies betrachten, die Menschen in Fahrstühlen von sich gemacht haben. Oder sich am Schminktisch ein neues Outfit verpassen. Immer geht es um Selbstdarstellung, um Begegnungen und wie beides zusammenhängen könnte.
Zwei Livemusiker:innen und zwei Sänger:innen leiten die Besuchenden durch diese Musiktheater-Performance-Erlebnisse. Wagner-Musikversatzstücke werden durch die Kompositionen von Jana De Troyer und Luca Sutto für PC, Saxophon und Cello zu neuen Klangräumen geführt. Die Sänger:innen Lisa Florentine Schmalz und Ferdinand Keller schaffen es, mit ihrer Präsenz die einzelnen Teile, die zu einer begehbaren Ausstellung werden, zusammenführen. So entstehen viele flüchtige Begegnungen. Denn diese sind in den Aufzügen das zentrale Motiv der Inszenierung. Hier sind die Zusammentreffen rein zufällig und kurz. Vielleicht genauso wie die Begegnungen, die durch Dating-Apps zustanden kommen, die Vergänglichkeit und Austauschbarkeit schon enthalten. Große Gefühle? Wie können die entstehen? Durch die Geheimnisse, die unentdeckt bleiben? Oder durch die vertrauensvolle Offenheit, die durch langjährige Beziehungen möglich wird? Viele durchaus flüchtige Gedankenschnipsel gehen einem durch den Kopf, während man der Musik und den Texten lauscht. Sie fügen sich zu einem Mosaik, das kein schlüssiges Bild ergibt, sondern bewusst irritierende Fehlstellen zulässt.
Birgit Schmalmack vom 20.7.25
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