Venus im Pelz, Theater Das Zimmer
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Venus im Pelz
Theater Das Zimmer
Machtspiele
Die Zuschauer:innen sind schon mittendrin, während das Saallicht noch an ist. Schauspieler Oliver Törner läuft schimpfend durch den Raum. Den ganzen Tag habe er sich durch ein Casting für sein neues Stück gekämpft, aber es gäbe anscheinend keine Frauen mehr, die eine solche Rolle wie die „Vanda“ in „Venus im Pelz“ spielen könnten, so beschwert er sich am Handy bei seiner Freundin. Da springt die Eingangstür des Theaters Das Zimmer auf und herein stolpert Schauspielerin Lena Anne Schäfer im Wintermantel. Obwohl der Regisseur schon völlig übermüdet und genervt ist, schafft sie es ihm ein weiteres Vorsprechen aufzudrängen. Überaus geschickt verwickelt sie ihn zunächst in ein Gespräch über den Inhalt des Stückes, obwohl sie vorgibt es nur oberflächlich gelesen zu haben. Sie findet es „total porno“, er widerspricht heftig. Und schon sind sie in der ersten Szene und der Regisseur muss notgedrungen in den männlichen Part des Zweierstücks springen. Es stellt sich heraus, dass sie sich perfekt vorbereitet hat und den ganzen Text auswendig kann.
Im Stück wünscht sich der Mann die Liebe durch Schmerz und Unterwerfung zu erleben und zum Sklaven seiner „Venus“ zu werden. Schon bald verschwimmen die Ebenen. Die Schauspielerin, die vorgibt auch im tatsächlichen Leben Vanda zu heißen, erkennt, dass es hier um die Fantasie eines Mannes geht, der eigentlich nur die dem Buch vorangestellte These belegen möchte: »Gott hat ihn gestraft und hat ihn in eines Weibes Hände gegeben.« Denn auch wenn hier so getan wird, als würde die Frau die Macht übernehmen dürfen, so diene das nur dazu, dass sie letztendlich die Schuld an der Unterdrückung des Mannes zugewiesen bekommen würde. Selbst wenn sie freiwillig und auf ausdrücklichen Wunsch des Mannes erfolgt sei. Die Frau würde in die Rolle der Schuldigen gedrängt, indem ihr die Möhre der einmaligen Chance zur Überlegenheit vor die Nase gehalten werde. In Wirklichkeit sollte aber die Macht des Mannes nie in Frage gestellt werden, denn das Werturteil über die Frau stehe von vornherein fest.
In dem intimen Rahmen des kleinsten Theaters Hamburgs wird daraus ein intensiver Schlagabtausch über Geschlechterrollen. Schäfer brilliert in ihrer vielschichtigen Interpretation der Vanda, die mit minimalen Mitteln jede noch so kleinste Wendung in ihrer Haltung deutlich machen kann. Ob sie verführerisch, verschmitzt, überlegen, machtbewusst, intrigant, bittend, manipulierend oder befehlend agiert, kann sie in Sekundenschnelle ändern. Oliver Törner ist ihr ein würdiger Mitspieler. Zu einem Gegenspieler darf er ihr allerdings nicht werden, dafür sorgt die Regie von Kim Bormann, die hier ihre Interpretation des Stoffes aus dezidiert weiblicher Sicht zeigt. Der Stoff beruht auf Leopold von Sacher-Masochs Novelle aus dem Jahr 1870, aus dem David Ives 2010 ein Theaterstück machte. Bormann geht es nicht, wie Roman Polanski in seiner Verfilmung von 2013, um Erotik, sondern um die Rollenzuschreibungen zwischen den Geschlechtern, die sie gezielt hinterfragt. Wie ihr das mit ihrem perfekt gecasteten Schauspielerteam gelingt, ist absolut sehenswert und einen Besuch in Horn wert.
Birgit Schmalmack vom 10.2.25
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