Barrrbie, Thalia

Barrrbie, ein Puppenheim, Thalia
Foto: Sandra Then
Das Oberflächenlächeln gefriert
Barrrbie (Victoria Trauttmansdorff) ist die neue Superheldin, die Kens dieser Welt haben ausgedient. Sie kann alles, sie ist alles. Ob nun Ärztin, Anwältin oder Politikerin. Barrbie ist reich und erfolgreich. So zaubert der erste Teil von Emre Akals Inszenierung „Barrrbie, ein Puppenheim“ eine schöne, pinke Comicwelt auf die Bühne in der Gaußstraße. In einem analogen weißen Raum erschaffen die digitalen Projektionen eine Bonbonwelt, die in neue Sphären versetzt. In ihr agieren die Figuren (Anna Blomeier, Julian Greis, Oliver Mallison, Tilo Werner) mit aufgetürmten Betonfrisuren und ihren schalenartigen Schaumstoffkostümen als Kunstfiguren. Alles nur ein Traum, das vermitteln sie in jeder Szene.
Im zweiten Teil ist Barbie dann in ihrem schönen Heim angekommen, kann plötzlich ganze Sätze sprechen und ist mit Helmer verheiratet. Sie hat es augenscheinlich geschafft. Doch ist sie auch glücklich? Das fragt sie immer wieder ihre alte Freundin Chrissie, die unvermittelt zu Besuch kommt. Natürlich ist sie glücklich, was für eine Frage. Doch bald bekommt ihr schönes Puppenheim, das wie aus Zuckerguss geformt ist, derweil in den weißen Bühnenraum projiziert wird, Risse und verändert sein Farbtonalität. Aus bonbonbunt wird regengrau. Denn Barbie, bzw. Nora, denn wir sind mittlerweile bei Ibsen gelandet, hat ihre Stellung nur mit Unterschriftenfälschungen erschlichen und das droht jetzt herauszukommen. Der psychologische Realismus des norwegischen Autors ist noch weit entfernt. Die Personen treten weiterhin in ihren schaumstoffgepolsterten Kostümen auf und agieren in künstlichen Verrenkungen, aber ihre Nöte machen unmissverständlich klar: Von schöner heiler Traumwelt, in der Frauen alles wuppen können, ist diese Barbie weit entfernt.
Doch im letzten Teil sitzen Barbie und ihr Mann an ganz normalen Nullachtfünfzehn Tisch auf Nullachtfünfzehn Stühlen. Barbie, die nun daraus besteht, bei ihrem richtigen Namen, Nora genannt zu werden, teilt ihrem Mann mit, das sie sich von ihm trennen wird und geht zur Tür hinaus. Übrig bleiben die Biden Kinder, die hatten sich während des Streits ihrer Eltern einen Barbiecomic im Fernsehen angeschaut und essen nun am Esstisch brav ihre Suppe auf, als wenn nichts gewesen wäre. Sie leben anscheinend immer noch in ihrer Kindertraumwelt. Doch ist es nur eine Frage der Zeit, wann auch sie erkennen werden, dass sie nicht die Transformation in die Wirklichkeit überstehen wird.
Emre Akal lockt sein Publikum geschickt in seine Interpretation des Nora-Stoffes hinein. Über seinen Einstieg in totaler Comicästhetik knüpft er an den Barbiefilmerfolg von Greta Gartwig an, um anschließend vor dieser Folie einen neuen Blick auf „Nora, ein Puppenheim“ zu werfen. So wird aus der norwegischen Püppchen, das eigentlich nur als Anhängsel ihres Mannes gesehen wird, eine Karrierefrau im Land des Great and Wunderful, die ihren amerikanischen Traum des Reichtums, des Kapitalismus, des Immer-Immer-Mehrs leben wollte und dabei erkennen muss, dass er eigentlich ein Alptraum ist.
Birgit Schmalmack vom 11.3.25
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