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Der Kreis, Lichthof

Der Kreis, Lichthof

Copyright ist von Christian Bartsch

Ohne doppelten Boden

Der Kreis, Lichthof

Copyright ist von Christian Bartsch

Komm mit, komm mit, so lockt Çağlar Yiğitoğulları sein Publikum zu Beginn. Es soll mitkommen auf eine Reise der Erkenntnis, die sie über sieben Täler führen wird. Sie ist mühsam und voller Entbehrungen, Enttäuschungen und Abschiede. Der Performer nimmt sich das persische Langgedicht „Die Konferenz der Vögel“ des Sufi-Dichters Farid ud-Din Attar zum Ausgangspunkt seiner meditativen Solo-Performance „Der Kreis“. Das Ursprungsgedicht handelt von einer Gruppe von Vögeln, die sich auf der Suche nach ihrem idealen Anführer auf eine gefährliche Reise begeben. Am Ende entdecken sie sich selbst als Gemeinschaft, aus der die wahre Führung entspringt, ohne von einer äußeren Autorität abhängig zu sein. Sie entdecken, dass Orientierungskraft und Weisheit in ihnen selbst liegen.

Bei Yiğitoğulları sind es die Menschen, die sich auf die Reise begeben. Er lädt die Zuschauer:innen im Lichthof ein, sich mit ihm auf die Suche zu machen. Man merkt, dass er eine Botschaft hat. Er will in diesen so unruhigen Zeiten zeigen, dass es Möglichkeiten der Erdung, des Kraftschöpfens, der Erholung und der Gemeinschaft gibt. Für jedes der zu durchschreitenden Täler erfindet er einen speziellen Klangteppich, den er an seinen Instrumenten oder mit seiner Stimme erzeugt. Zu ihm durchschreitet er den Kreis mit einer ausdruckstarken Bewegungschoreographie.

Das Bühnenbild besteht aus einen Lichterkreis mit kleinen Teelichtern, in deren Mitte ein textiler roter Kreis liegt, der sich später als Tellerrock entpuppt. Die Täler, die durchschritten werden wollen, gelten dem Abschied von der Vergangenheit, der Akzeptanz des eigenen Selbst, die Akzeptanz des Gegenübers, der Begegnung mit dem Anderen, der Erkenntnis des Ichs im Du und schließlich dem Ankommen. Doch wo? Die letzte Station, die eigentlich das Ziel sein sollte, liefert nur die Erkenntnis, dass die Suche eine lebenslange bleiben werde. Es gibt keinen König, den die Vögel noch suchten, es gibt lediglich das eigene Selbst, bei dem es ganz anzukommen gilt.

Während sich seine letzte Performance "HeimatLost" noch der Fremde und der Heimatlosigkeit widmete, geht es Yiğitoğulları hier im „Kreis“ um Rituale des Ankommens. Egal, wo man sich gerade befände, gelte es, bei sich selbst heimisch zu werden. Wie bei jeder seiner Arbeiten, spürt man als Zuschauende in jedem Augenblick die Unbedingtheit und die Wahrhaftigkeit seines Tuns auf der Bühne. Dieser Künstler hat keinen doppelten Boden, er schenkt seinem Publikum einen intimen, unverstellten Einblick in seine Gefühle. Denn er verschmilzt auf der Bühne mit dem jeweiligen Inhalt seiner Performance. Genau darin liegt die Intensität seines künstlerischen Akts, bei dem man Zeuge sein darf.

Birgit Schmalmack vom 17.3.25



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