Rosas Keersmaeker
Rosas Keersmaeker
Spannender Minimalismus
Der Beginn stellte die Zuschauer auf eine Geduldsprobe. Doch er machte klar: Selbst in der Wiederholung von Klangeffekten kann es eine Entwicklung geben. Die zwei Mikrophone, die über zwei Lautsprechern in Schwingung versetzt wurden, blieben irgendwann stehen.
Vor die weiße Wand traten zwei Tänzerinnen, die durch ihren Schattenwurf zu dreien wurden. Mit immer gleichen Armschwüngen und Schritten, die streng parallel zur Bühnenrückwand setzen sie sich sie sich zur Klaviermusik in Schwung, die ebenfalls ein Motiv ständig zu wiederholen schien. Die kleinsten Veränderungen kommentierten die Tänzerinnen ebenfalls durch kaum merkliche. Plötzlich waren ihre Bewegungen nicht mehr synchron, ihre Arme schwangen nicht mehr in die gleiche Richtung sondern in die entgegen gesetzte. Witzig verstärkt wurde dieser Effekt durch ihre Schatten. Nun sah es so aus, als wenn der mittlere mehr als zwei Arme zu haben schien.
Das zweite Stück von Steve Reich schuf mit rhythmischen Streicher- und Flötenklängen die Grundlage für noch mehr Bewegung und Schwung. Acht Frauen in weißer und schwarzer Kleidung gruppieren sich zu einer Kreisform. Jede tanzt zu der Musik ihre eigene Choreographie. Die Versatzstücke tauchen bei den anderen wieder auf, doch jede schient ihre eigene Reihenfolge zu wählen und ihre eigene Richtung einzuschlagen. So wie die Musik mit immer gleichen Motiven arbeitet, so montieren die Tänzerinnen auch die Sprünge, Schwünge und Läufe immer wieder neu, bis sie zum Schluss in Gruppen zu gemeinsamen synchronen Tanzabläufen zusammenfinden.
Orgelklänge mit einer Rassel bestimmen das dritte Stück, zu dem vier Tänzer auf die Bühne kommen. Sie bewegen sich wie in Zeitlupe. Armschwünge vereinigen sie für kurze Momente, bis sie wieder einzeln zur Musik tanzen. Ihre Bewegungen nehmen Zitate aus Kampfsportarten auf. Sie beziehen den Boden als Tanzfläche mit ein. Während sie zu Beginn wie die Frauen einzeln tanzen, finden drei von ihnen zum Schluss zu gemeinsamen Bewegungen, die sich in einigenden Gruppenszenen abspielen. Hebungen, Abrollungen finden hier statt. Einer der Männer bleibt wie ein Fremdkörper zwischen ihnen. Ohne einen von ihnen anzustoßen, bleibt er dicht neben den anderen weiterhin in seinem eigenen Takt.
Im letzten Stück bestimmt Trommeln den impulsiven Tanz der vier Männer und acht Frauen. In einem Lichtstreifen tanzt zunächst eine Frau alleine. Endlich kann sie einen der Männer zum Tanz animieren. Bald fallen alle übrigen mit ein. Bei diesem letzten Stück des „Steve Reich Evening“ gibt es wesentlich mehr Gleichklang und Harmonie in den Zusammentanz des Ensembles. Einzelne Bewegungen werden von anderen aufgenommen und weitergeführt. Hier hat die Choreographin Anne Teresa Keersmaeker ihre Kunst der Entwicklung eines Tanzsogs die Zuschauer hautnah miterleben lassen. Auch derjenige, der nach dem nervenaufreibenden Anfang einen strapaziösen Tanzabend befürchtete, lies sich zu begeistertem Applaus animieren. Auch die zuvor noch Skeptischen hatten sie in ihren Bann gezogen und gezeigt, wie spannend minimalistische Musik sein kann, wenn sie in Tanz umgesetzt wird.
Birgit Schmalmack vom 29.8.08
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