NK Taxi Driver
NK Taxi Driver
Neukölln von seiner Kopfsteinpflasterseite: Nach einem langen Fußmarsch verschlägt es den Braunschweiger Holger nach Berlin. Beim Traditionsunternehmen Taxi Lindner heuert er als Fahrer an. Nutten, betrogene Ehemänner und Großstadtcowboys landen auf seinem Rücksitz. Die Stadt – nur Ampeln, Scheinwerfer und Leuchtreklame im Rückspiegel. Jemand sollte schnell diese Stadt hier ausmisten. Die Lichter und Begegnungen - alles verschwimmt in Joeys Kopf. Jeden Morgen, wenn er den Wagen abgibt, macht er den Rücksitz sauber. Eines Tages ist es Blut… Redest Du mit mir?
NK Taxi Driver ist ein Taxiroadmovie vom Weggehen und Nicht-Ankommen. Eine Stückentwicklung frei nach Motiven aus Kultfilm „Taxi Driver“ und Jim Jarmuschs Taxi-Episodenfilm „Night on Earth“.
Textfassung: Andreea Clucerescu, Nicole Oder
Annette Borchardt, Jonathan Prösler, Martin Molitor
THEATER
Bebrillt: „Taxi Driver“ im Heimathafen Neukölln
Wie filmt man eine große Stadt? Am besten von der Straße aus, wie Martin Scorsese 1976 in „Taxi Driver“: Lange nächtliche Schichten, zurückgewiesene Liebe, die Prostituierten auf den Straßen Manhattans, der Regen, das Sperma der Kunden auf seiner Rückbank lassen aus einem jungen, einsamen Taxifahrer einen Menschenhasser und Attentäter werden. Das muss doch auch für die Bühne funktionieren – mag sich Regisseurin Nicole Oder gedacht haben, die am Heimathafen Neukölln bereits mit „Arabboy“ die migrantische Gegenwart von Berlins geliebtem und gehassten Problembezirk inszeniert hat. Ihr neues, poetischeres Stück „Taxi Driver“ ist eine konsequent lokale Neuköllner Episodengeschichte im Geiste von Scorsese oder Jim Jarmuschs „Night on Earth“. Martin Molitor läuft als „Holger aus Braunschweig“ nach Berlin, wo er Taxi fährt und Neukölln von der Asphaltseite her kennenlernt („Was guckst du? Fick’ deine Mutter!“).
Ähnlichkeiten mit dem jungen Robert De Niro sollte man nicht erwarten. Dieser Holger ist 39, trägt Glatze, Brille und ein psychedelisches T-Shirt. Seine überzeugendsten Momente hat er beim Zusehen, im Abwarten – ein großes Kind in großer Stadt. Wie schon in „Arabboy“ übernehmen zwei weitere Darsteller (Annette Borchardt und Jonathan Prösler) sämtliche andere Rollen und geben ihr Bestes, die zu große Distanz zwischen Bühne und Zuschauerreihen im neu gestalteten Saalbau physisch zu überspielen. Leider lässt sich die Inszenierung am Ende nicht genug Zeit. Die Wandlung des Protagonisten zum Gewaltmenschen wirkt überhastet. Das hat Scorsese besser hingekriegt. (Karl-Marx-Str. 141, bis 11.8. und 22. u. 23.8., 21 Uhr). (Udo Badelt)
KUNST
Taxi Driver auf Neuköllsch
Der Holger mit dem etwas der Mode geratetenen Batik-T-Shirt ist in Berlin gelandet. Die unbekannten Möglichkeiten der großen Stadt locken den 39-jährigen aus Braunschweig hierher. Da kommt ihm das Angebot des alt eingesessenen Taxiunternehmens Lindner gerade recht. Nun kann er mit den nächtlichen Erkundungstouren in der Großstadt sein Leben finanzieren. Doch die Gäste in seinem Taxi nicht immer die angenehmsten Zeitgenossen. Spießige Omis, großmäulige Geschäftsleute, aufgetakelte Prostituierte erträgt er. Aber immer mehr „Abschaum“ gerät ihm vor und hinter den Kotflügel. Als schließlich ein Zuhälter sein unwilliges Mädchen in seinem Taxi ermordet, ist Holgers Maß voll. Er erklärt sein Taxi zum Sperrgebiet, tauscht seine Taxifahreruniform gegen Tarnjacke plus Sonnenbrille aus und setzt zur Säuberungsaktion an. Die schöne blinde Jasmin, die hin und wieder in seinem Taxi Platz nimmt, wirkt dabei wie eine Katalysatorin. Für sie will er der Held der Großstadt sein.
Ob Holgers Rachefeldzug zur Reinigung der Stadt von all dem menschlichen Müll nur ein Traum ist oder zur Wirklichkeit wird, bleibt in der Neuköllner Adaption von Martin Scorseses Film „Taxi Driver“ offen. Martin Molitor spielt ihn als einen biederen harmlos wirkenden Normalo, der eigentlich mit allen Menschen in Frieden leben will. Seine überraschende Wandlung kommt dann sehr plötzlich. Statt des kontinuierlichen Aufbaus einer düsteren Stimmung wie im Film wird im Saalbau eher ein durchaus amüsantes, skurriles Kaleidoskops der Neuköllner Persönlichkeiten und Kuriositäten geboten. Die Berliner Taxixantippe ist ebenso darunter wie die türkische Automechanikerin, der derbe Berliner Meister-Stecher wie die Prolls, die auf jede Frage mit „Fick deine Mutter!“ reagieren. So ist für Unterhaltung mit Lokalkolorit gesorgt.
Birgit Schmalmack vom 14.8.09
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