Nightbreezers
Fleetstreet
Night-Breezers
Labor in der Fleetstreet
Die Stadt-Paläanthologen Christopher Weiß und Kai Fischer sind in der Innenstadt unterwegs. Ihre Aufgabe ist es anhand der menschlichen Hinterlassenschaften Rückschlüsse auf ein Leben in der Stadt zu ziehen. Doch in der Innenstadt machen sie eine furchtbare Entdeckung: Es gibt kein Leben, dann es gibt hier keinen Müll. Flexibel wie sie sind, erweitern sie ihr Aufgabenspektrum und implantieren der Stadt Müll aus anderen, belebteren Stadtteilen und hoffen nun, dass mit ihm auch das Leben in die Innenstadt zurückkehrt. In ihrem Labor in der Fleetstreet, in der sie Geschäftsstraßen detailliert aus recycelbaren Pappkartons nachgebaut haben, funktioniert das Experiment: Ein Gummihandschuh wird zu Paul, der seinen Großvater (eine kleine Flasche Pott-Rum) pflegt. Eine Schnecke wird zu Peggy-Sue, die ihre Schleimspur auf einem herumfliegenden Papier hinterlässt. Ein Pappbecher wird zum Straßenmusikanten Miroslav. Ein Kamm zu Hugo, der auf Arbeitssuche ist. Ein Keks zu seiner Mutter, bei der er immer noch wohnt. So beleben die beiden Stadtsoziologen ihr Modell der Innenstadt mit ihren Geschichten. Sie bebildern sie liebevoll durch Fotos, Schattenspiele oder Sandbett-Malereien, die mit der Cam oder dem Overheadprojektor auf eine die beiden Leinwände projiziert werden.
Doch leider werden die Wiederbelebungsversuche der Beiden vorerst nur Wunschträume bleiben. Die Realität sieht nämlich ganz anders aus: Das Fleetstreet muss seinen Spielbetrieb aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung einstellen, die Straßen in der Innenstadt sind in Privatbesitz der Geschäftsleute, Wachleute durchkämmen sie ständig auf Suche nach Störendem und Wohnungen werden kontinuierlich in Geschäftsräume umgewandelt.
Die Müllperformance von Weiß und Fischer thematisiert aktuelle Entwicklungen wie Verdrängung von Lebensraum, Einschränkung des Stadtlebens und drohende Gentrifizierung in gekonnter Balance zwischen Ernst und Spiel. Einen besseren Spielort als die von der Schließung bedrohte Fleetstreet hätten sie dafür nicht finden können. Das Künstlerkollektivs "Die Azubis" hat sich in seiner dritten gemeinsamen Arbeit zu Profis in der Ausarbeitung ihres ganz besonderen Stiles entwickelt. Ihre amüsanten, sorgsam inszenierten, unterhaltenden und "lehrreichen" Performance-Vorträge könnten Kultstatus für Hamburg bekommen. (siehe News-Teil)
Birgit Schmalmack vom 2.11.10
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