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Lampedusa

Lampedusa
Erkenntnis kontra Enthüllung
Titania (Oana Solomon) ist eingeladen zu „Anna im Talk“. Die karrierebewusste, nervöse Fernsehmoderatorin Anna (Julia Malik) soll die hochgebildete, selbstbewusste Muslimin zum Reden bringen. Im Vorgespräch im Sender der Fernsehanstalt wird klar: Unterschiedlicher könnten die Vorstellungen der beiden kaum sein: In den 19 Minuten der Live-Sendung will die Eine sensationelle Neuigkeiten auf den Schirm enthüllen und die Andere für Aufklärung sorgen. Die klarsichtige Titania weiß genau, was sie sagen will. Sie weiß ebenso sicher, worüber sie nicht reden will. Vorstöße von Anna sie zu Äußerungen zu bringen, die diese gerne live über den Bildschirm flackern lassen möchte, mahnen Titania zur Vorsicht. Anna will nur Klischees bedienen, die im Massenmedium Fernsehen gut ankommen, und Titania will Erkenntnisse vermitteln. Doch Anna bleibt dran, schließlich wittert sie fette Beute: Denn Titania will sich in ihrer Sendung als muslimische Lesbe outen. Ein nicht ganz ungefährliches Vorhaben: Als eine weiße, muslimische Afrikanerin hat Titania mit Reaktionen aus ihrem familiären Umfeld zu rechnen.
Während der zaghaften, immer wieder gestörten Annäherung zwischen den beiden Frauen, platzt ein Kollege herein: der Wetterfrosch vom Dienst (Kai Schumann). Ist Anna noch stets vordergründig bemüht die Flachheit ihres Medium zu kaschieren, so bringt sie dieser grüne Kerl in seiner watscheligen Verkleidung unübersehbar auf den Punkt: An intellektuellem Tiefsinn ist hier nichts zu erwarten. Er bringt es dann auch treffend auf den Punkt, als er zu seiner Kollegin meint: „Dir könnte es doch nur Recht sein, wenn sie hinterher einer umbringt!“ Titania verlässt den Sender und sofort findet Anna einen passenden Ersatz für die Muslimin: Der „Wetterfrosch“ darf in 19 Minuten Sendezeit seine abstrusen Meinungen ausbreiten.
Der halbjährig in Afrika lebende Schwede Henning Mankell hat ein Theaterstück geschrieben, das den Umgang der deutschen Gesellschaft in Vertretung durch ihre Medien mit muslimischen deutschen Bürgern schildert. Doch die Gestalt des Wetterfrosches konterkariert in ihrer platten Borniertheit die intellektuell angehauchte Unterhaltung der zwei Frauen so stark, dass die interessanten Gesichtspunkte dieses Verhältnisses in den Hintergrund geraten. Leider ist Regisseur Dominique Schnizer bei seiner Umsetzung des Textes in die Falle getappt, diese Rolle für überzeichneten Klamauk sorgen zu lassen und schmälert so die gut einstündige Aufführung um einigen Erkenntnisgewinn.
Birgit Schmalmack vom 1.11.07

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