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Pralles Schauspielertheater
Im Foyer steht ein riesiges Familienporträt: fünf junge, festlich gekleidete Menschen blicken ernst in die Augen der Betrachter. Auf der Bühne wiederholt sich dieses Bild, diesmal aber mit lebendigen Personen. Nun halten sie eine Schiefertafel in der Hand: „Hans“ steht in schlichten Kreidebuchstaben darauf. Hans ist der Vater der Fünf. Anlässlich seiner Beerdigung sind hier zusammen gekommen, treffen sich wieder im Gasthof zum goldenen Kalb. Hier begann einst die Geschichte ihres Vaters. Hier wurde er in der zufälligen Begegnung von Cosima und Clemens gezeugt. Hier trafen sich die verschiedenen Familienmitglieder der weit verzweigten Familie zu verschiedenen Stationen ihres Lebens immer wieder. Ob zu einer Hochzeit, zu einer Beerdigung, zu einer Taufe oder zu einem Geburtstag.
Anhand dieser Anlässe erzählt Jan Neumann mit fünf Schauspielern des schauspielfrankfurt die Familiengeschichte und damit auch einen Teil der deutschen Geschichte im Zeitraum von 1948 bis 2007 nach. Um dies nicht zu einer trockenen Geschichtsstunde werden zu lassen, lässt Neumann kaum Tricks aus um sein Publikum zu verführen. Die fünf Darsteller verkörpern alle Personen der zahlreichen Verwandtschaft. Mit jeder neuen Perücke schlüpfen in eine neue Rolle. Requisiten werden dabei von schnell bemalten Schiefertafeln übernommen. Rasant springen die Fünf von einer Szene in die nächste. Um das Publikum bei Laune zu halten, darf in den zum Teil improvisierten Dialogszenen der Witz auch etwas derber, der Dialekt auch etwas deutlicher und die Lacher auch etwas lauter sein. Doch es sind die leiseren Momente, die tiefer berühren. Der herausragende Stefko Hanushevsky sorgt für viele von ihnen. Ob als brave, treu sorgende, zu kurz gekommene Tante Friedl oder als ihr behinderte Sohn Bruno. Immer beweist er sein Talent für die sensibel eingesetzten, kleinen Gesten. Die poetischen und sorgsam formulierten Prosatexte, die zwischen die Spielszenen gesetzt sind, verleihen dem quirligen, spielfreudigen Abend nötige Ruhe- und Besinnungsmomente, die den Blick wieder auf das Wesentliche lenken. Fast wäre es unter den ganzen theatralischen Effekten der Aufmerksamkeit entschwunden.
Birgit Schmalmack vom 30.5.08
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