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Die Kontrakte des Kaufmanns

Die Kontrakte des Kaufmanns
Ein überbordendes Theaterexperiment hat Stemann fürs Thalia eingerichtet. Ein Happening wurde es für die, die der vierstündige Theaterabend nicht schreckte. Die, die bis zum Schluss ausharrten, zeigte durch ihren lang anhaltenden jubelnden Applaus, dass es sich gelohnt hatte.
Stemann hat sich wieder einmal Jelinek gestellt. Er hat sich ihres 160-seitigen Werkes über die Machenschaften der Banken, das aktueller nicht sein könnte, angenommen und es in seiner ironisierenden Art auf die Bühne gebracht. Dass er die Jelinek-Textmassen dabei oft nur als Hintergrundrauschen nimmt, schmälert den inhaltlichen Botschaft des Abends keineswegs. Denn Jelinek hämmert es ihren Zuhörern auch so deutlich genug ein: Die Drückerkolonne der Bankmanager ist zur Druckerkolonne geworden. Sie haben sich mit Hilfe ihres bevorzugten Kundensegmentes A und D (alt und dumm) das Geld zum Drucken wertloser Zertifikate besorgt, es auf karibische Inseln verfrachtet und es dort für sich arbeiten lassen. Dass das Rentnerehepaar nun ohne Hab und ohne Pension dasteht, liegt nicht in ihrer Verantwortung. Sie haben Dienste angeboten, wenn der Markt sie annimmt?? Sicherheit hätten sie nie versprochen, sondern nur Rendite. Wer sie dabei einstreichen würde, hätten sie geschickt verschwiegen. Als Opferlämmer wurden die ahnungslosen Kunden zur Schlachtbank ihres Geldes geführt. Wie Wölfe fielen die Banken über sie her. Noch fürs Totenhemd brauchen sie einen Kredit.
Stemann nutzt die Thalia-Bühne als großes Experimentierfeld. Auf der Bühne ist alles ständig im Umbau begriffen. Die Akteure sind dauernd in Bewegung. Ein Guido-Rap, ein Stemann-Song, Chorsprechen, Vorträge am Bord, Videoprojektionen sorgen für ein Höchstmaß an Abwechselung, wenn auch der Text mitunter zu Weiderholungen neigt. Musikinstrumente werden herein getragen, Webcams platziert, Requisiten auf- und abgebaut. Dabei ist das Saallicht an und sind die Türen offen. Jeder der Zuschauer dürfe seine eigenen Pausen einlegen, hatte Stemann die Spielregeln zu Beginn erklärt. Dass niemand etwas verpasste, dafür sorgten Bild- und Tonübertragungen in die Foyerräume.
Birgit Schmalmack vom 20.10.09

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