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Caligula

Caligula
Das Unmögliche ermöglichen
Caligula hat sich auf die Suche nach dem Mond begeben. Entmutigt und erschöpft ist er zurückgekehrt. Dieses Zurückgestutzt Werden auf das nur Menschenmögliche ist ihm zuwider. Er als Kaiser muss der Gedankenfreiheit leben dürfen. Was geschähe, wenn er die bisherige Moral in Frage und Gut und Böse auf eine Stufe stellte? Caligula wagt nicht nur das Undenkbare zu denken sondern es auch zu tun. Ob sofort erklärt er Menschen zu Schuldigen nur kraft seines Wortes. Scheinbar herrscht ein Herrscher der Willkür. Doch es ist nur einer der Verzweiflung. Das erkennen Caligulas Weggefährten. Sie können die Veränderung ihres Kaisers zwar nicht begreifen, aber wollen ihm dennoch nicht die Gefolgschaft aufkündigen. Ahnen sie doch, dass wenn Caligula keinen Sinn im Leben finden kann, sie zu ähnlichen Einschätzungen kommen müssten. Doch haben sie nicht auch die Pflicht, die Untertanen vor diesem Tyrannen schützen?
In Jette Steckel Inszenierungen sind alle Zuschauer potentielle Opfer des kaiserlichen Mörders. Ihre Bilder werden beim Einlass aufgenommen und als schwarze Kopien hinten auf die Bühnenwand getackert. Guillotiniert wird auf dem Kopierer. Einer nach dem anderen muss in der schwarzen Hölle, die die Zuschauerreihen mit einschließt, dran glauben.
Mirco Kreibich mutiert als Caligula in Sekundenschnelle vom einschmeichelnden zart fühlenden Freund und Liebhaber zum Furcht erregenden Mörder, vom feinsinnigen Intellektuellen zum manischen Wahnsinnigen. Die Verbindungen zu seinen Weggefährten werden klug seziert. Jeder will seine Glauben an den Kaiser nicht aufgeben. Folgerichtig stilisiert sich Caligula zur Jesusfigur, die sein Kreuzigungsbild über die Opferbilder schließlich an die Wand tackert. Bei Steckel wird ebenso klug kurzerhand die letzte Szene zerrissen und statt der Ermordung Caligulas begeht er Selbstmord.
Ein paar Mitmachaktionen hätte Steckel sich vielleicht sparen können. Diese brauchten die hervorragenden Schauspieler nicht, um das Gefühl der unmittelbaren Schicksalsgemeinschaft mit dem Publikum bei diesem erschreckenden Gedankenexperiment zu erzeugen.
Birgit Schmalmack vom 22.10.09

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