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System Schule
„Fräulein“ Julika Stöhr ist eine junge Lehrerin, voller Tatendrang und Ideen. Erst neu an einer Hauptschule muss sie sich als Fachlehrerin durch schlagen. Mit interessanter Unterrichtsgestaltung will sie die Schüler dennoch motivieren. Eine fast unlösbare Aufgabe, das merkt sie bald. Die Schüler sind ohne Perspektive, desinteressiert und boykottieren ihre „Angebote“. Ihre sorgsam angefertigten Arbeitsbögen werden zu Papierfliegern oder Wurfgeschossen zweckentfremdet. Doch Julika will sich nicht entmutigen lassen und resignieren wie viele ihrer älteren Kollegen.
Doch dann passiert eines Tages etwas, was sie fast verzweifeln lässt: Chris, ein Schüler, der bisher nur durch massives Stören und völlige Arbeitsverweigerung aufgefallen ist, versucht sie dazu zu überreden, ihm eine gute Note zu schenken, damit er seinen Hauptschulabschluss bekommt. Julika weigert sich, Chris verliert die Beherrschung und schlägt sie nieder.
Julika meldet den Vorfall nicht; sie will nicht als Opfer da stehen. Stattdessen entschließt sie sich die Situation für ihre Zwecke nutzen. Sie bietet Chris fachliche Unterstützung beim Nachholen des Stoffes an und erhofft sich im Gegenzug ein tieferes Verständnis dafür, was ihre Schüler eigentlich umtreibt.
Lutz Hübner, ein versierter Bühnenautor auch für brisante und aktuelle Jugendstoffe, hat wieder einmal einen spannenden Konflikt mit gesellschaftlicher Relevanz dramatisch auf den Punkt gebracht. Prägnant, in kurzen Szenen und mit schnellen Schnitten umreißt er die konfliktträchtige Situation. Dann treibt er sie auf die Spitze, scheint danach eine Lösung anzubieten, um alsbald unerwartete Probleme auftauchen zu lassen und abschließend einen überraschenden Schluss hinzulegen. Hübner ist ein Könner. Schön wenn er in der Umsetzung seiner Stoffe für die Bühne auf eine sensible und einfallsreiche Regisseurin wie Inka Neubert und authentische und engagierte Darsteller wie Anna Sanders und Vasilios Zavrakis trifft. Die Drei brauchen nicht viel, um einen überaus spannenden Theateraufführung im Jugendtheater Hamburg auf die intime Bühne zu bringen. Nur zwei Stühle, einen Tisch und atmosphärisch gekonnt eingesetzte Musik. Das Premierenpublikum zeigte seine Begeisterung mit trommelndem Applaus.
Birgit Schmalmack vom 16.4.08

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