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Winter

Winter
Darf es Glück geben?

Schneeflocken überall. Darin eine Frau in einem zarten Tütü mit einer Korsage, die mehr zeigt als verdeckt. Das Pelzjäckchen liegt im Schnee. Sie räkelt sich auf dem weißen Podest, das vor der großen Fensterfront im Saal des Kulturhauses 73 platziert ist. Ein Mann in Hut und Mantel und mit Spazierstock geht vorbei. Eine rote Nase ziert sein blasses Gesicht. Rot gefroren oder Clownszeichen? Sie spricht ihn an: Du, ja du da. Hörst du nicht? Verstehst du nicht? Siehst du mich nicht? Er reagiert nicht. Er hat anderes zu tun. Er hat einen beruflichen Termin in der Stadt. Und er hat Frau und zwei Kinder zu Hause.
Dann langsam versteht er doch: Er setzt die rote Nase ab und hört der Frau zu. Er vergisst seinen Termin und seine Familie. Er begibt sich mit der Frau in sein Hotelzimmer. Doch sie vertröstet ihn. Später könnten sie sich in der Bar treffen. So kommt es nur zu einer schüchternen Umarmung.
Doch sie kommt nicht in die Bar. Er sucht sie in der ganzen Stadt und setzt sich schließlich auf die Parkbank, wo ihre Begegnung ihren Anfang nahm. Sie kommt vorbei. Ist entsetzt, als sie erfährt, was er ihretwegen alles aufgegeben hat. Wegen einer Frau, wie sie eine ist? Sie kann und traut es sich nicht zu glauben. Kann das gehen? Darf es so etwas geben? Sieht er denn nicht, was sie für eine ist? Darf sie Hoffnung haben? Er versichert ihr: Alles darf es geben! Zum Schluss wagt sie einem Hauch von Glück in ihren Blick und in ihrer Stimme Raum zu geben.
Gero Vierhuff hat seiner Inszenierung von „Winter“ des Norweger Autoren Jon Fosse ein zaghaftes Happy End verpasst. Er hat das triste Stück um viele sinnliche, lebensfrohe und optimistische Momente bereichert. In den beiden Darstellern fand er die perfekte Besetzung. Die dunkle, temperamentvolle Göksen Güntel steht den blonden, zaghaften Sven Brormann gegenüber. Beide balancieren sicher auf dem Drahtseil der spröden einsilbigen Sprache Fosses. Ein Kammertheater der feinen Art, das Stimmungen, Worten, Blicken sorgsam nachspürt. Eine große Herausforderung an die zwei Schauspieler, die sie mit Bravour meisterten.
Birgit Schmalmack vom 8.4.08

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