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Au bleu cochon

Au bleu cochon

Choreografen Béatrice Jaccard und Peter Schelling von der Compagnie Drift
Das absurde Verhalten einsamer Großstadtsingles
Zuerst stehen sie alle ziemlich verkrampft an der Bar „Zum blauen Schwein“ und stieren in ihr Glas in der Hand. Zaghafte Annäherungsversuche schlagen fehl, weil die Unsicherheit sich in allzu großer Forschheit äußert. Alle hier um ein wenig Geselligkeit Bemühten wahren gleichzeitig sorgsam ihre Distanziertheit. Auch die beiden Frauen, die den Kreis der vier Männer schließlich erweitern, erleichtern die Angelegenheit nicht wirklich. Die eine knabbert ständig an dem Bändchen ihres Kleides, die andere schüttelt nervös ihren Fuß, wie um einen Krampf zu lösen. Da müssen erst die Dienste zweier Coaches in Anspruch genommen werden, um den Erstkontakt zwischen Mann und Frau zu einem ungelenken Erfolg werden zu lassen. Dann ist das Interesse der übrigen Männer geweckt und damit auch ihr Konkurrenzverhalten.
Compagnie Drift hat sorgfältig das Verhalten einsamer Großstadtsingles beobachtet und daraus ein äußerst sehenswertes Tanzstück kreiert. Denn sie übersetzen keineswegs ihre Beobachtungen eins zu eins auf die Bühne, sondern übersteigern sie gekonnt ins Skurrile, ohne sie jedoch lächerlich zu machen. Jeder der Singles hat einen besonderen Tick und verkörpert dennoch den schicken, auf Individualität bedachten Großstädter. Die Schuhe sind spitz, die Kleidung extravagant, das Gebahren gewollt lässig. So kippt das zaghafte Balzverhalten schnell in eine Rangelei, jede Kontaktaufnahme balanciert labil auf der Grenze zwischen Schüchternheit und Übergriffigkeit. Da gibt es Verknotungen, Verstrickungen und Verwindungen, bei denen die Beteiligten schnell den Überblick verlieren können. Alle sind auf der Suche nach dem Gegenüber, wenn sie nur wüssten, wie die Beziehung zu ihm zu knüpfen und zu erhalten ist. Die Compagnie Drift unter der Leitung von Béatrice Jaccard und Peter Schelling erzählt mit ihrer innovativen, eigenen Tanzsprache, die auch das gesprochene Wort in vielen Sprachen einsetzt, von den absurden Momente des Lebens. Indem sie den Humor als Stilmittel nie zu kurz kommen lassen, ködern sie ihr Publikum geschickt und lassen ihn fast unbemerkt in den Spiegel der Selbsterkenntnis blicken.
Birgit Schmalmack vom 4.8.09

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