Amorpher Bewegungskörper
Amorpher Bewegungskörper
Zu pulsierendem Technorythmus starten die zwölf Tänzer jeder für sich mit hektischen Bewegungen. Ausdruckslos starren sie auf den Boden, immer haarscharf an den anderen vorbei. Jeder ist nur mit sich selbst beschäftigt. Fällt auf den Boden, springt wieder auf, läuft an den anderen vorbei. Plötzlich nähert sich der erste einer anderen an. Es bilden sich Paare, zunächst nur für Sekunden. Dann tanzen sie einzelne Figuren zusammen. Drehen sich um, halten sich an den Händen, führen sich, werfen sich gegenseitig zu Boden, ziehen sich wieder hoch. Doch schnell lösen sie sich wieder, suchen einen neuen Partner. Nichts ist auf lange Dauer angelegt. Alles wirkt flüchtig, beiläufig.
Nach schönen Sequenzen, die einen Hauch von Harmonie ausstrahlen, schubsen sie sich wieder fort. Bei der nächsten Begegnung ist von Einigkeit keine Spur mehr. Jetzt knallen die Ohrfeigen. Die gegenseitigen gemeinsamen Tanzbewegungen werden immer heftiger. Von einem Miteinander ist nichts mehr zu sehen. Wie ein Gegeneinander wirkt dieses Gerangel und Geziehe eher. Welches aber gleich darauf übergangslos in immer neuen Kamasutra-Stellungen zu landet. Der Gesichtsausdruck hat nicht gewechselt. Teilnahmslos gucken sie am Gegenüber vorbei. Technisch werden die Liebesübungen abgehandelt. Am Ende reißen sie minutenlang ihre Münder weit auf. Ihre Bewegungen werden monoton. Erstarrt vor Schrecken und müde vor Erschöpfung werden sie zu Boden gezogen.
Gilles Jobin hat mit seinen sechs Paaren in „Double Deux“ gezeigt, was er unter organischer Organisation versteht. Alle Paare tanzen zur selben Zeit unterschiedliche Figuren. Eines fängt an, die anderen fallen nach und nach ein. Bis ein nächstes Paar mit der neuen Sequenz anfängt. So werden zum Teil drei verschiedene Figurenfolgen gleichzeitig getanzt. Wie ein DJ, der langsam von einem Stück ins nächste hinüber leitet, so lässt Jobin die verschiedenen Bewegungen ineinander gleiten. Ein amorpher Bewegungskörper aus zwölf Menschen entsteht so, der die Blicke und Sinne der Zuschauer wie in einen Sog in das Geschehen auf der Bühne mit hineinzieht.
Birgit Schmalmack vom 26.8.06
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