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Alte Zeiten

Alte Zeiten
Einstürzende Lebenskonstrukte
Deeley und Kate leben auf dem Land. Während Deeley oft beruflich unterwegs ist, bleibt Kate im großen Haus direkt am Meer. Eines Tages meldet sich Besuch an: Anna, Kates einzige und beste Jugendfreundin. Kates Vorfreude ist verhalten, was Deeley neugierig werden lässt. Wird er in den Reaktionen seiner Frau Rückschlüsse ziehen können, was für ein Mensch sie war, bevor sie sich begegneten? Der Abend entwickelt sich zu einer ungeahnt spannenden und für alle Seiten – auch den sich in Sicherheit wähnenden Deeley- überraschenden Spurensuche. Hat Anna Recht, wenn sie meint, dass die eigene Vergangenheit tatsächlich so ist, wie man sie erinnert und nicht so, wie sie sich wirklich abgespielt hat? Was tun, wenn die eigenen Erinnerungen mit denen der anderen Beteiligten nicht zusammen passen wollen?
In diesem Dilemma finden sich Kate, Anna und Deeley nach etlichen Gläsern Rotwein und vielen Zigaretten wieder. Dass Kate und Anna lange Jahre eine Wohnung teilten, war Deeley bis dato unbekannt. Dass Deeley Anna schon vor Kate begegnet ist, wiederum wusste seine Frau nicht. Und dass Kate die Freundschaft zu Anna anders definierte als umgekehrt, wusste letztere nicht. Jeder pflegte ein anderes Bild vom sich und anderem, als der Wirklichkeit des Gegenübers entsprach. Die Überschneidung der verschiedenen Wahrnehmungskreise ergibt eine erschreckend kleine Schnittmenge.
Regisseur Johannes Wenzel inszeniert den langsam entlarvenden Text von Harald Pinter zu einem bezwingenden Kammerspiel. Gesa Klebe stellte dafür ein paar Stühle zu einem Kreis auf der Bühne auf, stellte ein paar Weinflaschen, Kerzen und Aschenbecher in die Mitte. Fertig ist die Arena für die drei Menschen, die sich um ihre Wirklichkeit streiten. Wohl wissend, dass diese eine entscheidende Auswirkung auf ihre Gegenwart nehmen kann. Soll ihre Konstruktion und Rekonstruktion ihr Lebenskonstrukt zum Einstürzen bringen? Lukas Holzhausen ist ein siegesgewisser Poseur, der sich der Ergebenheit seiner Frau anfangs sehr sicher ist. Auch Anna ist sich ihres Einflusses auf die zurückhaltende Kate, die sich ihrer Führung damals scheinbar willenlos anschloss, sicher. Agnes Julia Mann zeigt die weltgewandte, erotisch fordernde, selbstbewusste und begehrte Frau, wies dem schüchternen Mädchen den Weg. Auch Deeley bezeichnet Kate nur als Mädchen, wenn er von dem Zeit berichtet, als sie sich kennen lernten. Anja Herden gibt Kate eine ausdruckstarke Sinnlichkeit. Sie lässt hinter ihren zunächst wortkargen Gesprächsbeiträgen einer Selbstsicherheit ahnen, die ihrem späteren Enthüllungen zusätzlich Glaubwürdigkeit verleiht.

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