N' Haufen Kohle


N' Haufen Getöse

Antu Romero Nunes verspricht: Heute wird jemand zu schaden kommen! Er, den es immer interessiert hat, die Verknüpfung zwischen Realität und Theater zu untersuchen, holt heute eine wahre Geschichte aus Mexiko ins Theater. Doch wie viel Wahrheit und wie viel Fiktion Nunes an diesem Abend präsentieren wird, wird ausschließlich sein Geheimnis bleiben.
Es geht um unglaubliche Brutalität und um einen Haufen Kohle. Letzteres demonstriert Antu ganz real: Er fordert das Publikum auf Geld zu spenden. Ein großer Haufen Scheine wird zusammen kommen.
Zuvor hatte er noch zwei Geschichten erzählt: Eine handelt davon, dass er als Kunstaktion in Mexico einen seiner eigenen Geldscheine verbrannt hätte und dafür als arroganter Reicher gerügt worden wäre. Die zweite davon, dass er eine achtjährige mexikanische Vollwaisin, die die Erschießung ihrer Eltern miterleben musste, kennengelernt hätte. Dann gehen die Geldscheine viele Minuten lang durch die Reihen. Das Publikum lässt sich nicht lumpen: Dicke Bündel landen in einem Geldbeutel, der Antu sogleich von drei maskierten Männer aus der Hand gerissen wird.
Das Spektakel beginnt. Im Laufe des nun folgenden Tumultes wird der Geldbeutel in eine Blechtonne geworfen und geht in Flammen auf. Zuvor haben sie rücksichtslos alles niedergemäht, das sie ihnen in den Weg stellte. Viermal lässt Rumeros diesen Gewaltausbruch ablaufen, mit Blitzlichteinsatz und lauten Geknalle und Getöse. Die drei Maskierten fliegen mit geübten Kampfesgriffen über die Bühne und schonen auch die anderen zufällig Anwesenden nicht. Dass die Polizei in Mexico nicht unbedingt ein Instrument der Aufklärung ist, sondern mit den Banditen unter einer Decke steht, und auch die gewalttätigen Bandidos eigentlich sensible Gefühlsmenschen sind, offenbaren die weiteren Szenen.
Als letzter gefakter Realitätseinbruch ins Theater wird der fiktive Kampf zwischen Gut und Böse in der Kampfarena auf der Bühne ausgeführt. Dazu wird das gesamte Parkett auf die Bühne geholt - ganz nah soll es die südamerikanische Form des Volkstheaters erleben können. Immer wieder spielt Nunes auch hier mit der realen Gefahr. Bühnenarbeiter stellen am Rand extra Stahlabsperrungen auf und Antu wirft sich selbst mit in den Ring. Hier wird eben keiner geschont, auch der Regisseur nicht
Vielleicht macht Nunes bei dieser Arbeit so viel Getöse, weil er mit viel Aktion, Rauch, Knall- und Lichteffekten die äußerst dürftige Geschichte aufpeppen wollte. Die spannenden Fragen, die er mit seinem Geldverbrennungsspiel anklingen ließ, interessierten ihn später anscheinend nicht mehr. Zum Abschied vom Maxim Gorki Theater hat Nunes noch einmal tief in die Gefühls-, Effekt- und Kitschkiste gegriffen. Er traut seinem Publikum offenbar zu, genügend eigene Gedanken zu seinem Stückansatz entwicklen zu können; auf der Bühne werden sie nur angedeutet. Was treibt die Banditos an? Sind die eigentlichen Verbrecher vielleicht ganz andere? Was ist Geld heutzutage schon noch wert, wenn es auf den Finanzmärkten ohne Realwirtschaftsbezug vermehrt oder vernichtet werden kann? So viel wie manche Theaterkunst vom wahrhaftigen Leben? Nunes versuchte dagegen mit seinem Theaterspektakel ein Zeichen zu setzen - ob es gelungen ist, darf bezweifelt werden.
Birgit Schmalmack vom 7.4. 13

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