Björn Säfsten & Thiago Granato

Ohne Kompromisse

Was ist echt, was ist gefakt? Schnell wird klar: Diesen drei Peformern kann man nicht trauen. Egal welche Miene die Frau aufsetzt, ob sie lacht oder weint, ob sie selbstgewiss oder unsicher auftritt, schon im nächsten Moment stellt sie alles wieder in Frage. Welches Lied der schwarze Mann auch anstimmt, seine Stimmung wechselt blitzschnell. War er gerade noch einschmeichelnd, wirkt er jetzt bedrohlich. Sang er gerade aufmunternd, sinkt kurz danach die Stimmung in den Keller. Auch ob die Schmerzensschreie des kleinen Mannes echt sind, kann man zunächst nicht einschätzen. Mit markdurchdringenden Schreien hält er sich die verschiedenen Körperteile, um schließlich in ein Grinsen zu verfallen, das alles vorherige in Frage stellt.
Der Künstler Björn Säfsten lässt alle Gewissheiten verschwimmen. Seine drei Performer sind alle Meister der präzisen Beherrschung von Mimik und Gestik. So verwirren sie ihr Publikum nach allen Regeln der Kunst. Doch diese, eigentlich bezwingende Idee hält trotz der hervorragenden Performer nicht über die Zeit der ganzen 75 Minuten. Die Botschaft ist auch in ihren Variationen bald verstanden und wird selbst in den gemeinsamen Teilen aller drei Performer nicht so erweitert, dass die Performance zwar unterhält aber kaum einen längerfristigen Eindruck hinterlässt.
Anders verhält es sich bei "Trr" von Thiago Granato, der wahrlich keinerlei Kompromisse zwischen Unterhaltung und Anspruch eingeht. Er steht selbst auf der Bühne und erkundet in seiner Choreographie eine Zeit ohne den Körper. Wie das mit einem Tänzer als Alleindarsteller auf der Bühne geht, versucht er zu zeigen. Mit präziser Körperbeherrschung schreitet er die Bühne zunächst in mühsamer Arbeit ab, sein Kopf vornüber gebeugt wie ein Bergsteiger beim Aufstieg. Die Schweißtropfen rinnen ihm schon bald von der Stirn. Nach einem Black ist er auf einem fahrbaren Hocker zu einem sich krümmenden Insekt geworden. Alles hier werde verschwinden, schreit er die Zuschauer an. Alles sei vergänglich. Was bleibe, wenn alles hier nicht mehr da sei, wedelt er mit schnellen Handbewegungen hinweg. Granato legt seine Jacke ab und offenbart seinen nackten Körper ohne jede Verkleidung. Er reduziert die Bewegung bis zum Fast-Stillstand, den Kopf meist zum Boden gesenkt. Immer wieder geht er rückwärts, als wolle er die Zeit zurückdrehen. Zum Schluss schreitet Granato völlig aufrecht und mit offenen Blick zum Ausgang. Vorwärts. Schweißtreibend ist diese Arbeit nicht nur für Granato, auch herausfordernd für die Zuschauer. Ein anspruchsvolles Gedankenexperiment, das sich eigentlich der Visualisierung verweigert. Granato hat es trotzdem gewagt.
Birgit Schmalmack vom 14.8.18




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Trois Grandes Fugues, Berliner Festspiele
Pasionaria, HAU