Wie das Leben so läuft
Wie es so läuft
Wie es so scheint
Ein schwarzer Geschäftsmann (Nikolaus Okonkwo), der seiner Umwelt unbedingt beweisen will, dass er es trotz aller Diskriminierungen zu mehr Reichtum als die Weißen bringt, seine frustrierte Ehefrau (Sandra Cervik) und ein weißer Ex-Anwalt, Ex-Ehemann und Möchtegernschriftsteller (Dominique Horwitz): Das ist die Grundkonstellation von „Wie es so läuft“. Letzterer tritt dabei als Erzähler auf. Immer wieder steigt er aus der Geschichte aus und liefert Erklärungs- und auch Verwirrungsmomente. Denn die Wahrheit ist in dieser Erzählung nur schwer zu greifen.
Eine der möglichen Geschichten geht wahrscheinlich so: Nach 17 Jahren begegnet er seiner Ex-Klassenkameradin Belinda auf der Straße. Die erzählt ihm von ihrer unglücklichen Ehe. Zufällig haben sie gerade ein Apartment auf ihrem Grundstück zu vermieten. Er zieht dort ein und wird Zeuge, wie der Ehemann seine kaum gezügelten Aggressionen an seiner Ehefrau auslässt. Das gibt ihm die Gelegenheit sich als ihr Held und Retter zu erweisen.
Neil La Bute spielt in diesem Stück ebenso mit Klischees wie mit Verschleierungen. Immer wieder wendet sich das Blatt der Geschichte. Hat man den Ehemann schon als überehrgeizigen Hyper-Macho abgespeichert, so erfährt man später, dass er in Wirklichkeit die ganze Angelegenheit eingefädelt hat um seine Frau elegant loszuwerden. Hat man den Erzähler als zartfühlenden Frauenversteher kennen gelernt, so outet er sich wenig später als rassistischer Provinzler. Ist Belinda zunächst die unterdrückte Ehefrau des reichen schwarzen Mannes, so offenbart sie später, dass sie sich gerade mit der Andersartigkeit ihres ehrgeizigen Mannes schmücken und aufwerten wollte.
Autor Neil LaBute setzt auf politisch unkorrekte Schocks um sein Publikum an seinen eigenen Vorurteilen zu packen. Regisseur Torsten Fischer spitzt das Spiel mit den Klischees so zu, dass die Schmerzgrenze mitunter nicht nur gestreift sondern überschritten wird. Wenn der Schwarze sich genau wie ein „Nigger“ verhält, bedient er sie. Ob eventuell nur scheinbar, ist zu diesem Moment noch nicht erkennbar. Labute will Erkenntnisse. Die könnten sein: Nicht ist wie es scheint. Wahrheit ist kein Wert an sich. Auch aus einer Lüge kann das Glück erwachsen. Das behauptet jedenfalls der Erzähler, nachdem er mit Belinda zusammen gezogen ist. Doch vielleicht ist das ja auch nur eine der möglichen Geschichten, die man erzählen könnte. Gewisse Zweifel kommen auf; tritt er doch am Schluss an den Kammerspielen genauso auf wie der Ehemann zu Beginn: schwarzer Anzug und Macho-Sonnenbrille und schubst Belinda ähnlich rabiat über die glatten Treppenstufen.
Birgit Schmalmack vom 23.10.10
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