Vorstellungen
Vorstellungen
Subjektive Wahrnehmung
Um Wahrnehmungen geht es in diesem hoch spannenden Theaterstück. Fünfmal wird dieselbe Geschichte erzählt. Aus fünf verschiedenen Perspektiven. Um 43 Tage geht es. 43 Tage, in denen ein Theaterstück von Shakespeare in einem Kopenhagener Theater zur Premiere geführt werden soll. 43 Tage der Aufregungen nicht nur auf der Bühne. Denn die fünf beteiligten Personen stehen alle in engen Beziehungen zueinander.
Da ist Jakob (Aleksandar Radenkovic), der junge Schauspieler, der seine erste Hauptrolle spielen darf. Er verliebt sich in Tanja (Tanja Schleiff), die sich gerade von ihrem langjährigen Lebensgefährten dem Regisseur Marko (Stefan Schießleder) getrennt hat, welcher eifersüchtig ihr Anbändeln beobachtet. Markos Tochter Katrin (Julia Nachtmann) soll das Bühnengeschehen fotografisch festhalten. Auch weil sie so den Kontakt zu ihrer Mutter, der großen Schauspielerdiva Eva (Irene Kugler) erneuern soll. Diese hatte sie vor zehn Jahren für ihre Karriere verlassen. Vor der Folie des Shakespeare -Gedichtes „Venus und Adonis“, das sich mit der Liebe, der Eifersucht, der Macht und der Ohnmacht auseinandersetzt, geraten die privaten und beruflichen Themen durcheinander. Marko will die „wahren Gefühle“ auf der Bühne sehen. Benutzt er die Schauspieler nur für die Inszenierung seines Stückes?
Regisseur Klaus Schumacher lässt die Geschichte fünfmal hintereinander spielen. Bei den ersten Durchgängen entsteht so langsam ein Gerüst der Geschehnisse. Wiederholungen geben Orientierungspunkte und lenken die Aufmerksamkeit auf die Unterschiede in den Wahrnehmungen. Denn sehr mit sich selbst beschäftigt erlebt jeder seine ganz eigenen 43 Tage. Objektiv beobachtbare feststehende Ereignisse gibt es keine. Zwar bricht z.B. die krebskranke Eva immer am 17. Tag zusammen, aber als sie ihre Version erzählt, gehen die Anderen minutenlang ihren Beschäftigungen weiter nach, während sie allein auf dem Boden liegt. In allen anderen Durchläufen hatten sie alle sofort um sie gekümmert.
Der Höhepunkt ist die allerletzte Version, die von Marko. Wie in einem Daueralptraum erlebt er die Zeit vor der Premiere seines neuen Stückes. Alle zerren an ihm. Unter Erfolgsdruck stehend hat er gleichzeitig die Probleme seiner Tochter, seiner Ex-Frau und seiner Geliebten zu klären. Ein völlig überfordertes Nervenbündel zeigt er hier, während er in der Wahrnehmung der Anderen stets den souveränen arroganten Regie-Superstar gegeben hatte.
Ein äußerst anspruchvolles Stück für die Schauspieler. Ständiges Umschalten war angesagt. Schlechtes Schauspielen im Shakespearestück hinter der schwarzen Wand auf der Bühne war genauso gefragt wie authentisches Gefühlstheater auf der Plattform davor, die in die ersten Zuschauerreihen hineinragte. Die gewagte Erzählstruktur von Schumacher nach einer dänischen Fernsehserie hat sich zu einem interessanten, psychologisch tiefblickenden Theaterabend gefügt.
Birgit Schmalmack vom 30.1.09
hamburgtheater - Kritiken für Hamburg seit 2000