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Stadtnotizen

Stadtnotizen 1 + 2

Ich bin die große Bergstraße, behauptet Leila Abdullah. Stolz steht sie vor ihrem filmischen Abbild. Könnte ich nicht auch in New York liegen? fragt sie mit leicht ironischem Unterton. Klar, auch sie muss anerkennen: Die glanzvolle große Zeit der Großen Bergstraße, die einst eine beliebte und sehr moderne Einkaufsstraße – eine der ersten! - war, ist vorbei. Doch im Gegensatz zum Bergstraßen-Anwohner Christoph Bantzer verkörpert sie die hoffnungsvolle Variante im Blick auf die heruntergekommene Fußgängerzone, durch die nun der Wind pfeift und in der die Billigläden sich aneinanderreihen. Bantzer bündelt in seinem Beitrag direkt von der Bergstraße die Interviewzitate, die Regisseur Franz Abt auf der Einkaufsstraße sammelte. Alle sprechen von einer guten alten Zeit, die lange vorbei ist. Wehmütig blickt man ins hippe Ottensen und ist neidisch auf das Leben und Treiben dort, das abrupt am Bahnhof endet und in eine Betonwüste übergeht. Leila gibt dem grauen Bild von Bantzer mit großzügigen Pinselstrichen auf der Leinwand bunte Akzente. Genauso wie die Künstler, die neuerdings dem alten Karstadtgebäude in ein Kulturforum verwandelt haben und ihren Hoffnungen Auftrieb geben. Eine eindrucksvolle, künstlerische Betrachtung der Veränderungen in Altona, die Abt hier gelingt.
Mit einer ganz anderen Stimmung ist die zweite Folge der Stadtnotizen unterlegt: Hier widmet sich Abt der Region Finkenwerder und stellt zwei alte Freunde gegenüber, die ganz unterschiedliche Wege genommen haben: Der eine ist Obstbauer geworden wie schon sein Vater und der andere Prüfingenieur bei Airbus. Der eine hat für den Fortbestand der Traditionen und der andere für den Fortschritt der Technik gearbeitet. Beide sind ihren Berufen aus Leidenschaft nachgegangen. Der eine aus Liebe zur Natur und der andere aus Liebe zum Fliegen. Ihre früher sehr enge Freundschaft hat darunter zu leiden gehabt. Jetzt im Alter versuchen sie eine zaghafte Annäherung. Der Neffe des Obstbauern (Maximilian Grill) hat dazu ein Treffen arrangiert: Man zeltet wie in alten Zeiten zusammen unter freiem Himmel. Zeit für eine Aussöhnung oder für eine Auseinandersetzung? Die Laiendarsteller Hans Krumnow, Gottfried Walter), die beim Theaterfestival „60plus“ entdeckt wurden, verkörpern die beiden alten Männer glaubwürdig. Ihr Alter, ihre Lebenserfahrung, ihre Leidenschaft und ihre Abgeklärtheit werden spürbar. Eine beschauliche Sicht auf die Diskussion um Mühlenberger Loch, Startbahnerweiterung und A 380. Spannung kommt durch die nächste Generation hinein. Was wird der Neffe machen? In Finkenwerder eine Familie gründen oder zu neuen Ufern aufbrechen?
Birgit Schmalmack vom 21.1.07

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