hamburgtheater

...............Kritiken für Hamburg seit 2000

Spiel mit den Erwartungen

Spiel mit den Erwartungen
Wie für eine Podiumsdiskussion ist die Foyerbühne eingerichtet. Eine schwarz verschleierte Frau sitzt schon an dem lang gestreckten Tisch und ordnet die Vortragsunterlagen und Folien auf dem Overheadprojektor. Doch die Experten, die hier zum Thema „die deutsche Muslima“ sind keine Wissenschaftler, Politiker oder Sozialpädagogen sondern die Frauen selbst.
Feridun Zaimoglu interviewte 40 Frauen für sein Theaterstück „Schwarze Jungfrauen“ und überführte 10 der Geschichten in Monologe, die radikal, drastisch, offen und provokant die Meinung der Musliminnen zum Ausdruck bringen.
Passend zum Bühnenbild unterlaufen die von Regisseur Enrico Stolzenberg ausgewählten vier Monologe jede Klischeevorstellung: Von der unterdrückten Kopftuchträgerin keine Spur. Stattdessen treten vier selbstbewusste und emanzipierte Frauen auf, die wütend aufbegehren und ihr Recht einfordern. Dabei schonen sie weder ihre eigenen Energien noch die Nerven ihres jeweiligen Gegenübers, mag es nun aus der moslemischen Community oder aus den deutsch-bürgerlichen Kreisen kommen.
Es treten auf: Die bosnische Schülerin, die sich durch ein Schutzschild aus vulgären Vokabular gegen ihre „bürgerliche, verdorbene“ Umwelt schützt. Eine Partygängerin, die sich nach einem ausschweifenden Leben dem Islam zugewendet hat, aber keinen Grund sieht, weshalb sie nicht weiter mit „netten Jungs“ ins Bett gehen sollte. Sie lehnt es als einzige der Frauen ab, als „bandagierte Mumie“ wie ihre „frommen Schwestern“ durch die Gegend zu laufen. Ein „Islamistenkrüppel“ im Rollstuhl, die auf die unmoralischen „Vollkraftfrauen“ schimpft, aber es genießt ihren Pfleger mit dem Mund zu befriedigen. Und eine Christin, die zum Islam konvertiert ist.
Sparsam hat Enrico Stolzenberg das Stück in Szene gesetzt und dennoch für weitere kleine Irritierungen gesorgt: Zunächst tragen die Darsteller der erzählenden Frauen kein Kopftuch. Uta Krause spielt drei von ihnen in immer wieder leicht veränderter Alltagskleidung. Eine der Musliminnen wird sogar von ihrem männlichen Kollegen Frank Albrecht gespielt. Die Botschaft wird klar: Aus äußeren Kennzeichen wie Kleidung, Auftreten, Geschlecht oder eben dem Kopftuch keine voreiligen Schlüsse ziehen! Unter der Fassade könnten sich unerwartete Überraschungen verbergen.
Ein sehr interessanter Abend, der einen spannenden Beitrag zum viel zitierten Dialog mit dem Islam leistet, und der dazu keine weichgespülten Konferenzverlautbarungen braucht, die das Bühnenbild schon befürchten ließ.
Birgit Schmalmack vom 8.6.07

hamburgtheater - Kritiken für Hamburg seit 2000