Referentinnen
Referentinnen
Ausgewandert ins Reich der Politik
Um die dramatischen Lebensläufe der fleißigen Arbeitsbienen aus dem Reich der Politik geht es bei den „Referentinnen“. Ihre Geschichten aus der zweiten Reihe liefern Einblicke in das „schmutzige“ Geschäft um den Machtgewinn und Machterhalt. So dürfen sich die unermüdlich Akten schaffenden und schichtenden Damen immer kurz vor dem Ziel fühlen, für das sie einmal in das unbekannte Land der Politik ausgewandert sind. Dass unter der Mühsal des Käseglockendaseins die Beweggründe dafür schon in Vergessen geraten sind, darf die Zielgerichtetheit des Tuns nicht gefährden. So vergisst man praktischer weise die Inhalte und konzentriert sich lieber auf das eigene Vorankommen.
Das weibliche Netzwerk unter den Referentinnen wird dabei einigen Belastungsproben ausgesetzt. Wenn Köpfe rollen müssen, weil die Ablassmaschine (ein Ticketentwertunggerät der BVG!) nicht mehr alle Fehler ungeschehen machen kann, steht man gerne mal nicht im Mittelpunkt des Interesses.
Anlässlich einer internationalen Konferenz ist man auf dem Lande zusammen gekommen. Der barocke Landsitz erinnert an frühere Zeiten, in denen die Präsentation von Macht schon einmal mit allen Mitteln der Dekoration betrieben wurde. Hier wartet man auf die hohen Herren, denen man dient. Immer wieder stellt man sich der ebenfalls wartenden Presse. Jede der in charmanter Diplomatie geschulten Damen hat dabei eine eigene Strategie: die eine sagt auf jede Frage Ja, die andere auf jede Nein und die dritte setzt zu langen Absichtserklärungen an. Einig ist allen: Der Aussagewert ist stets gleich null.
Die Einzige unter ihnen, die auch bei ihren Kolleginnen Achtung für ihre Leistung vor dem Mikro einfahren kann, ist die Praktikantin Jenny, Jaqueline, Jasmin??. Sie trägt nämlich statt des nutzlosen BlaBlas eine brillant intoniert Arie vor.
Matthias Rebstock und Tilman Rammstedt haben die Geschichten hinter den Kulissen gekonnt aufgespießt. Knut Jensen hat dazu mit dem Ensemble leitundlause einen Musikmix arrangiert, der von Barock bis Rock und Pop alles bietet. Interessant wird der Abend auch deshalb, weil jede der Referentinnen dank der hervorragenden Darstellerinnen auf der Bühne zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit wird. Schnodderig, kompetent, emotional, arrogant, diplomatisch, unterwürfig – alle Spielarten des Miteinanders sind würdig vertreten. Dass die Neuköllner Oper damit an Vertreter des Musiktheaters wie Christoph Marthaler oder Erik Gedeon erinnert, kann eher als Qualitätsbeweis gelten.
Birgit Schmalmack vom 13.8.09
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