Quartett-Festival
Quartett
http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=354%3Aquartett--barbara-frey-inszeniert-heiner-mueller&catid=161&Itemid=40
http://www.tagesspiegel.de/kultur/walzer-der-untoten/1012036.html
Museum der Lieben
Die Marquise stolziert in ihrem aufgebauschten Kleid über den erleuchteten Laufsteg in der Mitte der Bühne. Sie übt für ihre Wiederbegegnung mit ihrem Ex-Liebhaber Valmont. Sie will dieses Mal unbedingt die Oberhand behalten. Desinteresse an ihm vorgaukelnd will sie ihren Einfluss auf ihn geltend machen, sei es auch nur in seiner Demütigung und Steuerung seiner weiteren Liebesangelegenheiten.
Valmont (Jeroen Willems) schreitet nach seinem Auftreten zunächst die Publikumsreihen ab, immer auf der Suche nach neuen Flirtobjekten. Die Begegnung zwischen den Geschlechtern wird bei den Beiden zur rein triebgesteuerten Befriedigungsaktion. „Nur als Tiere können wir Glück empfinden, das Bewusstsein des Menschen schadet dem reinen Gefühlsempfinden.“ Das ist die Überzeugung der Marquise.
So spielen sich die Marquise und Valmont die Bälle in ihrem Machtspiel zu und wechseln dabei gerne die Geschlechterrollen. Valmont reißt ihr den Reifrock vom Unterkleid und streift ihn sich selbst über. Die Marquise als Mann führt ihm nun vor, wie er mit der „Betschwester“, der verheiraten Tourvel vorgehen könnte. Schließlich steht er nackt vor ihr, um der Marquise wiederum unverkennbar als Mann zu beweisen, dass ihn ihre Reize völlig ungerührt lassen.
Der erste Eroberungs-Fall ist erledigt, schon steht das nächste Opfer parat: die Nichte der Marquise. Die Rolle der Noch-Jungfrau Cecile übernimmt diesmal die Marquise, schüchternd kichernd versteckt sich hinter dem bauschigen Stoff ihres Rockes. Doch schnell ist sie von Valmont eingenommen. Die Beiden sind Meister ihres Faches. Dumm nur, dass die alternde Frau bloß noch zur Erfolgsgehilfin des ebenfalls in die Jahre gekommenen Mannes dienen darf. So folgt die Rache auf dem Fuße: Als sie friedlich zusammen an der langen Plexiglas-Tafel auf ihren goldenen Stühlen sitzen, kredenzt sie ihm Wein - vergiftet. Sein Kopf sinkt langsam auf den Tisch. Nach ihr wird Valmont keine Frau mehr beglücken.
Barbara Frey vom Züricher Schauspielhauses hat mit Barbara Sukowa und dem absolut gleichwertigen Kontrahenten Jeroen Willems für die Rollen ausgewählt. Sukowa zieht alle Register von kalt, spröde, berechnend, unterwürfig, kokettierend, erotisch und leidend. Willems gibt den lässig, selbstbewussten Lover, der in den Frauenrollen ungewöhnlich zarte Töne anschlagen kann. Sie beide machten die verbal-vulgäre Wortschlacht zu einem Erlebnis.
Birgit Schmalmack vom 20.10.10
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