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PenthesileaDSH

Penthesilea

Who ist the queen
Wem gehört der Sieg?
Eine Kleist-Rock-Oper
Wie zum Konzert nehmen die Schauspieler in schwarzen Roben auf einer Stuhlreihe Platz. Beflankt werden sie von drei Musikern, die sie mit Laptop, E-Gitarre und Schlagzeug musikalisch verstärken. Von beiden Seiten gibt es Zeugen ihres Tuns: Ein Teil der Zuschauer sitzt mit auf der Drehbühne. Der andere Teil wie gewohnt im Parkett. Wie die Vertonung eines Hörspiels beginnt Vontobels Inszenierung von Penthesilea im Schauspielhaus. Odysseus erzählt von der Schlacht der Griechen vor Troja gegen das Heer der Amazonen unter ihrer Königin Penthesilea. Die anderen Schauspieler imitieren dazu die passenden Geräusche. Hufgetrappel, Geschrei, Gestöhne, Getrommel, Geheul – all das erzeugen sie mit ihren Mündern dicht an den Mikrophonen. Doch schnell ist die Stuhlreihe umgeworfen, schnell hat man sich der steifen Kleidung entledigt und der erste Rocksong ertönt: „Heil dir Archilleus!“, feuern die Griechen ihren stattlichen Führer in Rammstein-Manier an.

Dass Männer militärische Laufbahnen durchlaufen, dass sie zum Töten erzogen werden, dass sie ihre Mitmenschlichkeit unter die strategischen Ziele stellen müssen und können, daran hat sich die Gesellschaft gewöhnt. Sie finden jedoch zu Hause stets Frauen vor, die ihre Wunden pflegen, die ihre heldenhaften Gatten bewundern und sie mit Liebe umsorgen, solange bis sie wieder ihre Pflichten für das Vaterland erfüllen können. Was geschieht jetzt, wenn auch sie zum Töten erzogen werden und wie die Männer in den Krieg ziehen?

Penthesilea (Jana Scholz) ist eine solche kampferprobte, unerschrockene Frau. Dass auch sie zu Gefühlen fähig ist, erfährt sie ausgerechnet auf dem Schlachtfeld. Dort begegnet sie Achill und verliebt sich in ihn. Da sie jedoch nur als Siegerin einem Mann begegnen kann, muss er erneut gegen sie antreten, da sie ihm im ersten Kampf unterlegen war. Achill, der diese Grazie, die halb Furie ist, liebt, kommt unbewaffnet zum Kampf, sie dagegen hetzt ihre Hunde auf ihn. Sie kann nur militärisch strategisch denken. So zerfleischt sie den, den sie liebt.

Vontobel erlaubt dem verhinderten Liebespaar eine kleine romantische Szene, aber mit der gehörigen ironischen Distanz: Hinter ein paar aufgereihten Plastikblumen liegen die Beiden auf dem nackten Boden, werden von Penthesileas Schwester mit der Cam gefilmt und überlebensgroß auf die Leinwand projiziert. Eine leise Szene inmitten des lauten Schlachten- und Rockgetümmels.

Jana Scholz ist eine starke, kaum zu zügelnde, vor Begierden vibrierende, junge Frau. Markus John dagegen gibt den Macho-Fels in der Brandung dieser überschwänglichen Gefühle. Er ist davon überzeugt, dass er die jeder Zartheit entwöhnte Frau schon noch auf den Platz neben sich verweisen kann. Ganz alleine steht Penthesilea am Schluss da, als sie blutüberströmt von ihrer letzten, den Tod bringenden Begegnung mit Achill berichtet. Alle Lebenspower ist aus dieser Frau entwichen.

Vontobel benutzt die sprachgewaltigen Verse Kleists zur Grundlage für eine rockige Sprachoper. Für das aufwühlende Wechselbad der Gefühle findet er eine mitreißende, innovative Umsetzung. Die Emotionen werden gekonnt angefeuert, wenn die E-Gitarren und Trommeln schlagen und zum Kampf gerufen wird. Vontobel spielt mit den Übergängen zwischen den Fronten. Sein Ensemble spielt von den Rängen, mitten zwischen den Zuschauern, hoch über der Zuschauertribüne auf der Drehbühne. Dass die leisen Töne Mühe hatten bis in die letzte Reihe vorzudringen, lag auch an dem ständigen Wechsel von Mikros, Mikroports und natürlicher Stimme, der besonders viel von Jana Schulz vor Erregung zitternden Monologen schluckte. Eine spannende, aktionsgeladene Inszenierung, die durch intelligent eingesetzte Mittel in ihren Bann zog.

Birgit Schmalmack vom 17.9.10



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