hamburgtheater

...............Kritiken für Hamburg seit 2000

Kommt ein Mann zur Welt

Kommt ein Mann zur Welt
Die Stimmen im Kopf
„Die Geburtserfahrung ist für jeden Menschen der ursprüngliche Schmerz. Der Rest des Lebens ist in der Regel ein unwirksamer Verarbeitungsprozess.“
Bruno macht hier keine Ausnahme. Von seiner Mutter umsorgt und seinem Vater kritisch beäugt, bieten ihm gerade die ersten drei Jahre prägende Erlebnisse. Er lernt sprechen und er fällt vom Baum. Vom seinem Vater erbt er den Hang zum Künstlerischen. Bruno hofft so seiner Individualität am besten auf die Spur kommen zu können. Ein „Ich“ zu entwerfen und diesem „Ich“ zu entsprechen, setzt er sich als Ziel seines Lebens.
Nachdem er verschiedene Phasen der Selbstfindung durchgemacht hat, komponiert er ein Lied. Es wird ein Hit. Es wird sein einziger bleiben. Im Höhenrausch seines Erfolges verlässt ihn seine Freundin Suse. Jetzt wo er alle Frauen haben kann, wollte er sich nicht mehr mit einer einzigen begnügen. Als weiterer Erfolg ausbleibt, kehrt er zu Suse zurück. Ohne jeden Antrieb, wird er so bequem, dass selbst die genügsame Suse keine Lust mehr verspürt ihn weiter zu pflegen. Allein stirbt er an einem Tumor.
Martin Heckmanns Text durchläuft im Zeitraffer alle wichtigen Stationen in dem Leben eines Mannes. Was macht ihn zu dem, was er für sein „Selbst“ hält? Zu welchen Anteilen sind seine Entscheidungen eigenständig oder fremdbestimmt getroffen worden? Gibt es ein „Ich“ auf dessen Originalität man sich gemeinhin so viel einbildet? Diese Fragen begleiten ihn bei der Betrachtung von Brunos Lebensweg.
Rafael Sanchez hat den Text haarscharf zwischen Comedy und Drama inszeniert. Die fünf Darsteller neben Markus Scheumann als Bruno schlüpfen in alle weiteren Personen seines Lebens. Die spießige Wohnzimmerbühne, deren Möbel längs statt quer gestellt sind, erlaubt ebenso wenig Überblick, wie Bruno ihn hat. Sein Leben entwickelt durch zufällige Begegnungen, Ereignisse, Entwicklungen. Selbstbewusste Entscheidungen, die sein Vater von ihm forderte, trifft er kaum. Am Ende seines Lebens bleibt er alleine und unzufrieden zurück. Viele „hätte“ bevölkern seine letzten Gedanken. Sanchez Inszenierung ist spielerisch, erheiternd und kurzweilig. Die Ironie, die Brunos Lebens dank der manipulierenden Stimmen in seinem Kopf begleitete, zieht sich auch durch den Abend. Scheumann schafft es mit bewundernswerter Sicherheit den richtigen Ton zu finden, um für Bruno Sympathie und Verständnis zu wecken und ihn nie der Lächerlichkeit preis zu geben.
Birgit Schmalmack vom 4.6.08

hamburgtheater - Kritiken für Hamburg seit 2000