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Gehen gehen gehen

Gehen gehen gehen
Bisher ist der namenlose Ich –Erzähler Abwechselnd mit Karrer und mit Oehler spazieren gegangen. Das geht nun nicht mehr: Der Sprachphilosoph Karrer ist in den Pavillon 7 der Irrenanstalt Steinhof eingeliefert worden. Nun dreht er ausschließlich mit dem übrig gebliebenen Oehler seine Runden. Dieser ist der Überzeugung, dass Verrücktwerden nur eine natürliche Folgeerscheinung des Denkens sei. Wenn man erst einmal erkannt hätte, dass das Leben ein fortwährender Verschlimmerungsprozess und das Denken nur die selbst befriedigende Illusion einer übergeordneten Möglichkeit des Verstehens sei, sei man schließlich nur einen Schritt von einer Irrenanstalt entfernt. Oehler ist ein Mensch, der am liebsten das Kindermachen zum Verbrechen erklären und unter Strafe stellen würde. Denn er ist der Meinung, dass kein Mensch sich sein Leben wünscht, sondern es nur stillschweigend hinnimmt, weil er keine Alternative dazu hat.
Der kritische Österreicher Thomas Bernhard ist der Verfasser der atemlosen Hasstirade auf die Menschen, das Leben im Allgemeinen und Österreich im Besonderen. Die Hintergrundstory liefert nur den Anlass, damit Oehler sich in seinem Monolog ausbreiten kann, den der Ich-Erzähler getreulich dokumentiert. Das geschieht in Satzkaskaden, die die grenzenlose Wut und Hoffnungslosigkeit in schier endlosen Satzgefügen mit ständigen Querschüssen durch Einschübe zum Ausdruck bringen. Regisseur Hans-Jörg Kapp hat dies im Jungen Forum der Hochschule für Musik und Theater kongenial auf die Bühne gebracht. Er belässt den Text als Sprachgebilde. Er distanziert sich ganz von einer dramatischen Umsetzung der Geschichte. Oehler wird von drei Frauen in aufreizend schicker schwarzer Dessouskleidung dargeboten. Gleich den Damen einer Kuckucksuhr treten die drei Schauspielerinnen bei jedem Auftritt auf eine kleine Empore und verschwinden wieder, wenn die nächste das Wort hat. Passend dazu sondern sie Jodelähnliche Töne ab, später unterstützt von drei Sängerinnen in gleicher Aufmachung, die zusammen mit dem Herrn an der Zither den hysterischen Wutausbrüchen ein alpenländisches Klanggebilde unterlegen. Nadine Nollau ist die perfekte Darstellerin für diese Rolle. Ihr süffisantes Lächeln, ihr rasantes Sprechtempo, ihre leicht arrogante Haltung, ihre hohe Perfektion in der Intonation der nicht enden wollenden Satzstrukturen drücken genau die Haltung aus, die Bernhards Text nahe legt. Der Regisseur und sein Team bekamen zu Recht bei der Premiere am Freitag lang anhaltenden Applaus.
Birgit Schmalmack vom 7.7.08

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