Faust I
Faust I/II-Monsun
Zur Kritik von
http://hamburgischedramaturgie2punkt0.wordpress.com/2010/03/07/5-stuck-%E2%80%9Efaust-i-ii%E2%80%9C-von-torsten-diehl-am-07-marz-2010-im-monsun-theater/
Mephisto ist der Drahtzieher. An seinen Fäden hängen die Barbiepuppen Grete, Gretel, Magarete, Gretchen usw. Sechs sind es an der Zahl. Alle sind sie austauschbares Futter für den einst so lebensmüden Faust. Von seinen Endlife-Crisis-Gedanken hat Mephisto (Francis Rodrigues-Lopes) den ach so klugen Gelehrten und ach so armen Toren Faust zunächst einmal befreit. Ins pralle Leben hat er ihn hineingezogen. Sah Faust zu Beginn ziemlich alt und angeschlagen aus, so wirkt sich die Begegnung mit den lustvollen Seiten des Lebens sichtlich verjüngend aus. Der alte Faust (Andreas Jahncke) sieht in den Spiegel seines jüngeren Ichs (Martin Borkert). Minutenlang umkreisen sie sich, bis der Alte dem Jungen Platz macht.
Faust gerät in einen wahren Drogenrausch. Wie unter LSD erlebt er sich selbst in Bilderwelten, die in lila-blauen-silbernen Farbflashs berauschen. Die zweigeteilte Bühne erlaubt durch Projektionen auf den durchscheinenden Vorhang in der Mitte die Erzeugung von berauschenden Licht- und Bildeffekten. Im hinteren Bereich spielen sich Fantasien ab, während sich Faust im vorderen Bereich der von Mephisto erschaffenen Wirklichkeit zu stellen versucht.
Als Faust der süßen Grete auf der Straße begegnet, ist sein Interesse sofort geweckt. Wie große Barbiepüppchen bewegen sich ihre sechs Inkarnationen. Roboterhaft sind ihre Bewegungen, angestoßen werden sie von Mephisto. Manchmal muss er auch einen Akkuschrauber benutzen, um sie wieder in Schwung zu bringen.
Klugerweise entschied sich Regisseur Torsten Diehl die kurze Liebe und das dramatische Ende Gretens nur von einer Schauspielerin (Sina Martens) und ohne Roboteranmutung spielen zu lassen. Gegen ihre wahren Gefühle ist selbst Mephisto machtlos.
Diehl findet in seiner Interpretation des Faustschen Erkenntnisdrangs eine neue zeitgemäße Sichtweise. Wo jeder nur an seiner eigenen Selbstdarstellung interessiert ist, kommt der Wille zur Sinnsuche zu kurz. Hier ist der Event und der damit verbundene Gefühlflash schon der eigentliche Sinn des Tuns.
Birgit Schmalmack vom 25.9.10
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