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Einer von uns

Einer von uns
Das Recht auf eine eigene Wahlmöglichkeit

„Anukami ist einer von uns. Verstehst du seine Geschichte, verstehst du unsere Geschichte.“ Das behaupten die sieben jungen Leute in ihren schwarzen Kapuzensweatshirts. Sie sind Anukamis Gang, seine Homies. Sie erzählen seine Geschichte: Als Kriegsflüchtlinge kamen seine Eltern nach Deutschland aus dem Irak. Sein Vater ging wieder zurück, als der Krieg vorbei und Amis Mutter schwanger war. Für seine Mutter ist ihr Mann seitdem gestorben. Sie wollte in Deutschland leben und ihre Heimat, Sprache und Vergangenheit möglichst schnell vergessen. Dass sie damit die Entscheidung für ihren Sohn gleich mit getroffen hat, lässt den jugendlichen Anukami rebellieren. Er oponiert gegen ihre Aufstiegsgedanken in dem Land, in dem er geboren wurde. „Begreifst du nicht, dass wir hier immer nur Abschaum sein werden!“ wirft er seiner Mutter vor. Er will eine Wahl haben. Er will wissen, woher er kommt und wer sein Vater ist.
Seine Freunde verstehen ihn. Jeder von ihnen kennt solche Gefühle der Heimatlosigkeit. „Heimat ist, wo ich mich wohl fühle. Doch fühle ich mich in Deutschland wirklich wohl?“ fragt eine der Jugendlichen aus Hamburg.
Der weiße Hochhausetagenblock in der Mitte der Bühne dient als Projektionsfläche für seine Fortsetzung in die Höhe. Aus seiner Fassade lässt sich die Küche von Anukami und seiner Mutter ausklappen. Dass aus dem Leben mit verschiedenen Kulturen durchaus neue Formen entstehen können, zeigen die Jugendlichen mit den gerappten und getanzten Songs zwischen den Spielszenen.
Als Anukami auf dem Dach des unbewohnten, vermüllten Horrorhochhauses einen „Wüstenritter“ trifft, der seinen Namen kennt, wird ihm klar, was er zu tun hat. Auch er muss sich wie sein Vater zu seinen Wurzeln aufmachen. Vielleicht um anschließend wieder zurück zu kommen, aber dann aufgrund einer selbst getroffenen Entscheidung.
Nuran David Calis beschreibt in seinem neusten Stück „Einer von uns“, in dem er auch Regie führt, eine Generation, die auf der Suche ist nach ihren Wurzeln und einer selbst gewählten Heimat. Er zeigt, dass Integration nicht klappen kann, wenn die Auseinandersetzung mit den der Herkunftskultur nicht gewünscht oder möglich ist. Sie ist die erst die Voraussetzung dafür
die Frage „wer bin ich“ zu beantworten. Diese mitreißende, intelligente Aufführung ist im Thalia in der Gaußstraße zu sehen.

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