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Ehrensache

Ehrensache
Lebensgefährliche Spiele
Cem (Konradin Kunze) ist ein Typ, der weiß, wo es langgeht. Er achtet auf sich und weiß mit Frauen umzugehen. Denn er weiß, worauf sie stehen: Auf einen Typen, der sie nicht dumm anmacht sondern höflich behandelt. Auf einen Typen, der kriegt, was er sich vornimmt. Auf einen Typen, der ein Auto und Geld hat. All das beherzigt Cem, als er die schicke, selbstbewusste Ellena (Maureen Havlena) in der Disko anspricht. Er hat schon einiges von ihr gehört, und zwar von seinem Kumpel Sinan (Martin Wolf). Sie sei ein tolles, krasses Mädchen, mit dem man Spaß haben könne. So lädt er sie und ihre Freundin (Julia Nachtmann) zu einem Ausflug in die nächst größere Stadt ein. Sie wollen sich zusammen einen tollen Tag machen. Doch es läuft nicht alles so, wie Cem es geplant hat. Denn Ellenas Planung fängt an, seiner zuwider zu laufen. Und was noch schlimmer ist: Sie fängt an, sich über ihn lustig zu machen. Ein Wettkampf zwischen den beiden beginnt. Für Cem äußerst ungewohnt, dass ein Mädchen gegen ihn antritt. Damit kann er nicht umgehen. Als sie behauptet, dass sie von ihm schwanger sein könnte, dreht er durch.
Die Geschichte, die Lutz Hübner nach einem tatsächlichen Vorfall, bei dem ein Mädchen von einem deutsch-türkischen Jungen erstochen worden ist, geschrieben hat, wird vom Ende her aufgerollt. Der Polizeipsychologe Kobert befragt die Beteiligten. Er versucht sich ein Bild von den Vorgängen zu machen um sein Gutachten für das Gerichtsverfahren zu schreiben. In Rückblenden werden die kurzen Szenen auf der kargen Drehbühne gespielt. Der Text versucht Schnellverurteilungen zu vermeiden, die sich nach den bekannten Fakten aufdrängen. Ein paar platte Sprüche müssen trotzdem sein: Bist du schwul oder was?, fragt Cem Kobert, als nun wirklich nicht verstehen will, warum es Frauen und Schlampen geben und man mit letzteren alles machen dürfe. Doch ganz so vordergründig bleibt es nicht. Der Zuschauer versteht, dass nicht nur Cem in seiner Rolle verhaftet ist. Ellena ist sein Gegenstück. Auch sie ist sich sicher: Ich bekomme immer, was ich will. Während er voll auf Macho macht, spielt sie die Karte ihrer weiblichen Reize voll aus. Ein riskantes Spiel, das beweist ihr Cem. Dass sie ihm sogar auf Türkisch die Meinung sagen kann, entreißt seinem nur mühsam verdeckten Minderwertigkeitskomplex die Tarnung. Er muss sich wehren mit dem letzten Mittel, dem sie nichts entgegensetzen kann: mit roher Gewalt.
Ein spannendes, schnelles Stück, das nie in die Versuchung gerät Aspekte zu zerreden. Hübner reißt sie an und ermöglicht eigene Gedankengänge dazu. Er hinterlässt ein verstörendes Unbehagen am Schluss. War die Sachlage vielleicht doch differenzierter, als der Titel vermuten ließ?

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