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Corpus Delicti

Corpus Delicti
Vita, Vitae, Vitalis
So heißt der Schlachtruf der Gemeinschaft der Fitnesswilligen in „Corpus Delicti“. In atmungsaktiver Sportkleidung hüpfen sie auf der bühnenraumgroßen Fitnessmatte zu den Aerobic-Übungen im Kreis. Strahlend guter Laune verkünden sie die neuen Regeln ihrer Gemeinschaft: Gesundheit und deren Erhaltung ist unumstößliches Gesetz. Tägliche Fitnessübungen, gesunde Ernährung, Verbot aller Suchtstoffe und die gegenseitige Kontrolle gehören zum Reglement. Die Freiheit des Einzelnen gilt als vernachlässigbar. Dennoch krank Gewordene werden zu Aussätzigen, die keinen Platz in dieser Gesellschaftsform haben können.
Das bekommt auch Mia zu spüren. Ihr Bruder war an Leukämie erkrankt. Kontinuierlich vom System zunächst zum Außenseiter, dann zum Straffälligen erklärt, hat er schließlich Selbstmord begangen. Seine Schwester bleibt zurück, mit einem Berg an Fragen und Vorwürfen der Gesundheitsfanatiker. Kann sie unter diesen Menschen weiter leben und wenn ja wie?
Julie Zeh denkt in ihren Romanen gesellschaftliche Entwicklungen konsequent zu Ende. Hier zeigt sie einen Staat, der die Gesundheit in den Mittelpunkt seines Grundgesetzes stellt und damit den Kranken die Menschenrechte versagt. Regisseurin Anne Sophie Domenz bringt diese Gedankenspielerei schlüssig auf die Bühne. Henrieke Richters als Schwester gelingt es, die persönlichen Konsequenzen einer solchen Staatsdoktrin nachfühlbar zu machen.
Birgit Schmalmack vom 24.7.09

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