Zur Krtik von

morgenpost 
kulturradio 
dradio 
tagesspiegel 
BZ 

Zarenbraut, Staatsoper

Die Zarenbraut in der Schilleroper Foto (c) Monika Rittershaus


Wer über die Bilder herrscht, hat die Macht

Dass die Herrschaft über die Bilder auch die Macht über die Gesellschaft bedeutet, wissen wir in unserem heutigen Medienzeitalter sehr genau. Das wussten aber schon die Opritschniks, eine Klasse von Geheimdienstlern im zaristischen Russland. Deshalb entscheiden sie: Ein rein virtueller Zar reicht ihnen. Allerdings wissen sie auch: Medienauftritte einer schönen Ehefrau verfehlen ihre Wirkung beim Untertanenvolk auch nicht. Deshalb beschließen sie eine perfide Kombination aus beidem: Der neue Zar entsteht am Computer und das reale Casting der zukünftigen First Lady startet zeitgleich.
Mit diesem Kunstgriff katapultiert Regisseur Dimitri Tcherniakow Rimski- Korsakows Oper „Die Zarenbraut“ in die Moderne. Die Bilder dazu lässt er live auf der Bühne in einem nachgebauten Fernsehstudio entstehen. Vor einem green screen werden die süßen Kalenderblattidyllen eines Zuckerbäckerrusslands in Szene gesetzt. Rechts wird der Entstehungsprozess offengelegt und links sind die entstehenden Bilder auf den TV-Bildschirmen zu sehen.
In dieser Kulisse spielt sich eine Eifersuchts- und Machtintrige ab, die es in sich hat. Grjasnoj (Johannes Martin Kränzle) will seine langjährige Geliebte Ljubascha (Anita Rachvelishvili) abservieren, um die schöne Marfa (Olga Peretyatko) für sich zu gewinnen, doch diese lehnt ihn ab, da sie schon mit Lykow verlobt ist. So greift der Abgewiesene zu zauberkräftigen Arzneimitteln eines ausländischen Arztes, nichtsahnend dass seine rasend eifersüchtige Ex-Geliebte diesen ebenfalls aufsucht und die Mittel anschließend vertauscht. Mit Todesfolge!
Daniel Barenboim dirigiert die melodiöse Oper mit sattem, ausdruckstarken Klang. Ihre stimmungsvollen Arrangements tragen die starken Sänger so wunderbar durch den Abend. Olga Peretyatko singt mit ihrem hellen Sopran zunächst in mädchenhafter Unschuld, in die sich später immer mehr ungläubige Verzweiflung mischt. Johannes Martin Kränzle gibt den abgehalfterten Späteroberer, der tief in seiner middle crisis steckt und sich weigert die Realitäten anzuerkennen. Doch der Star des Abends ist eindeutig die Mezzosopranistin Anita Rachvelishvili. Bei jedem ihrer Auftritte ist eine solche Unbedingtheit zu spüren, dass sie zur eigentlichen Hauptfigur der Oper wird. Ein rundum gelungener Abend in der Staatsoper, der den Weg ins Schillertheater lohnt.
Birgit Schmalmack vom 8.10.13