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Zur Kritik von |
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Atlas des Kommunismus, MGT |
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Das Ende der Utopie
Was ist denn überhaupt Kommunismus, fragt die Neunjährige. "Eine Gesellschaft, in der es keinen Bestimmer gibt und in der alle gleich viel haben", erklärt die 17jährige Aktivistin. "Ja, wir erzählen von etwas Einfachem, was so schwer zu machen ist", ergänzt ironisch die 73Jährige. Eine 85jährige jüdische Ex-Kommunistin und Ex-Stasimitarbeiterin, eine 73jährige jüdische DDR-Dolmetscherin, eine 61jährige jüdisch-kommunistische Alt-Last des DDR-Theaters, eine 53jährige vietnamesische Vorzeige-Integrierte aus der DDR, eine 52jährige Ex-DDR-Punksängerin, eine 32jähriger Polittunte, eine 17jährige Aktivistin und eine 9jährige Tochter einer DDR-Mutter, die einmal so gerne als Star auf der Bühne stehen wollte und sich nun den ganzen DDR-Mist anhören muss. Mit diesen Experten des Alltags erkundet Lola Arias den "Atlas des Kommunismus". Sie alle erzählen ihre Geschichten mitten zwischen den Zuschauer, denn ein Teil von ihnen sitzt mit auf der Bühne. Sie erzählen von ihrem Idealismus, von ihrer Verfolgung, von ihrer Hoffnung, vom ihrem Wunsch nach Freiheit und von ihrer großen Enttäuschung.
Die Jüdin, die vor den Nazis nach Australien floh und dort eine Heimat bei den Kommunisten fand, so dass sie nach Deutschland zurückkehrte um die DDR mit aufzubauen und als Spitzel bei der Stasi landete. Die Dolmetscherin, die nach dem Fall der Mauer und aller Errungenschaften der DDR nicht nur ihre Arbeit verlor sondern auch ihren Glauben an die Demokratie. Die Schauspielerin, die immer noch am MGT arbeitet und dort in den Achtzigern die Aufbrüche in der Gesellschaft hautnah miterlebte. Die vietnamesische Gastarbeiterin, die in Rostock der Ausländerfeindlichkeit die Stirn bot und nun Kurse für die Politik gibt. Die Punksängerin, die für ihre system-kritischen Lieder in den Knast wanderte und trotzdem weitersang, als sie wieder rauskam. Der schwule Quedlinburger, der nach seinem Coming Out noch neun Jahre in einem engstirnigen Ost-Kaff fristen musste, wo seinesgleichen durch die Straßen gejagt wurde. Die Aktivistin, die auf dem Oranienplatz im Kampf für die Flüchtlinge ihre Aufgabe und ihren Zukünftigen fand, den sie nächstes Jahr heiraten will. Die Jüngste und nach der Wende Geborene, die staunend Fragen stellt und mit echter Neugier für jugendliche Unbefangenheit sorgt. Der über zweistündige Abend kennt keine Langeweile. Stets sorgen neue Geschichten, neue Sounds und neue Bilder für eine neue Perspektive. Es ist ein starker, ganz persönlicher Abend geworden, der Einblick gibt in die Gefühlslagen von überzeugten Ex-Kommunisten. Sie kämpften nach der Teilung für eine andere Gesellschaft. Auch sie litten unter der Erstarrung in den Achtzigern. Doch die Nachwendezeit riss ihnen den Boden unter den Füßen weg; alle ihre Ideale wurden scheinbar ohne Diskussion vom Westen verschluckt. Lola Arias lässt sie in entspannter Runde auf die Leidtragenden dieser vereinheitlichenden, gleichmacherischen Gesinnungsdiktatur treffen, denen die Wiedervereinigung endlich die Freiheit gab so zu leben, wie sie es wollten. Die nicht mehr für ihre Überzeugungen in den Knast wandern mussten.
Nur in Arias Wunsch ein versöhnliches Ende zu finden, verliert der Abend Arias am Schluss für einen kurzen Moment sein hohes Maß an Spannung und Konzentration. Denn was kommt nun nach dem Ende des real existierenden Sozialismus und der Kapitulation vor dem Kapitalismus? Gibt es noch eine Utopie? Zum Schluss halten alle ein Megaphon in der Hand und schreien ihre Botschaften ins Publikum. Nichts ist zu verstehen. Es gibt kein einheitliche Botschaften mehr, auf die sich alle einigen können. Ein desillusionierender aber auch ein hoffnungsvoller Schluss. Jede Generation hat ihre eigenen Erfahrungen gemacht und glaubt an ein anderes Ideal. Den einen Betonkopf, hinter dem alle hinterhertrotten, gibt es zum Glück nicht mehr. An einfache Lösungen glaubt hier keiner mehr auf der Bühne. Doch ein neues Ideal? Fehlanzeige. Birgit Schmalmack vom 17.10.16
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Druckbare Version
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Hamlet, BE Iphigenie auf Tauris, DT
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