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Zur Kritik von |
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Woyzeck, Berliner Ensemble |
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Ein Soldat wird zum Mörder
Im Gleichschritt Marsch. Keiner darf ausscheren, keiner eine Sonderrolle spielen. Das eigene Denken heißt es abzuschalten. "Jawohl, Herr Hauptmann," ist Woyzecks Spruch, wenn er gefragt wird. Was selten vorkommt. Meist hat er sich nur unsichtbar einzureihen und mitzumarschieren. Egal, welche Probleme ihn gerade drücken. Ob der Bub, den er mit Marie hat, gerade wieder schreit. Ob Marie jetzt unbedingt tanzen gehen will. Ob ihr das Geld, das er nach Hause bringt, zu knapp erscheint. Oder er mal wieder Stimmen hört. Woyzeck ist gedanklich schon weg, wenn er die Schritte seiner Kameraden heranpoltern hört. Kaum haben sie ihn erreicht, ist er schon wieder ein bedingungsloser Teil von ihnen. Die Gefühle heißt es abzustellen, denn schließlich ist als Soldat blinder Gehorsam gefragt. So lässt Woyzeck alles mit sich machen. Er stellt sich sogar für medizinische Experimente zur Verfügung, um seinen mageren Lohn aufzubessern. Doch Marie ist immer noch nicht zufrieden. Sie will Vergnügen und Spaß. So kommt ihr der Tambourmajor mit seinen Avancen gerade recht. Sein Geschenk, ein Paar Ohrringe, verheißen ein wenig Luxus und Abwechselung in dem öden Alltag mit dem zwar braven aber stets gestressten Woyzeck, den sie nicht versteht. Als Woyzeck schließlich direkter Zeuge von Maries Fremdgehen wird, ist das Ende fast unausweichlich. Der Mann, der in seiner Ausbildung zum Töten erzogen worden wurde, kauft sich ein Messer. Leander Haußmann lässt an seiner Interpretation von Georg Büchners Drama keinen Zweifel: Das Militär hat Woyzeck zum Mörder werden lassen. Gespräch, Kommunikation, Offenheit und Aufarbeiten haben in der Armee keinen Platz. Nur der Gehorsam und die Aggression werden geschult. Haußmann belässt den Text fast ganz änzlich in seinem Duktus, verlegt aber das Geschehen vom Vormärz um 1830 in die Zeiten des Vietnamkrieges. Zu den eindrucksvoll choreographierten Soldatenszenen erschallen deshalb amerikanische Popsongs aus den Sechzigern. Das schafft schnell Stimmung, bewirkt beeindruckend dichte Bilder und lässt ein Bühnenbild auf der leeren Bühne nicht vermissen. Wenn die Soldaten auf Helium gefüllten Tierballons im Kreis herumreiten, sieht man das Karussell auf dem Rummelplatz. Wenn die Soldaten zu einem Popsong sich zunächst mit den Mädchen vergnügen und dann sekundenschnell zu den Waffen greifen und in den donnernden Gleichschritt verfallen, ist die Aussage direkt klar. Als Woyzeck weiß Peter Miklusz all die verschiedenen Schattierungen seiner Unsicherheit, seines Zauderns, seiner Unterwürfigkeit, seiner Gutmütigkeit, seiner Liebe und unbezähmbaren Wut der Verzweiflung zu spielen. Das gelingt Johanna Griebel als Marie leider nicht. Die mögliche Vielschichtigkeit ihrer Rolle wird nicht deutlich; zu eindimensional ist sie als hübsches, unbedarftes und vergnügungssüchtiges Mädchen angelegt. Die Szenen auf dem Jahrmarkt des Raritätenkabinetts gleiten ein wenig ins Lächerliche ab. Sie wären für das Stück in dieser Lesart verzichtbar gewesen, zumal sie sich in Haußmanns neue zeitliche Setzung nicht reibungslos einfügen. Trotz dieser kleinen Mängel bleibt der Eindruck eines energiegeladenen, beherzt zupackenden, temporeichen und stimmungsvollen, wenn auch vielleicht etwas einseitigen Theaterabends. Das muss aber bei einem Klassiker wie Woyzeck kein Nachteil sein. Birgit Schmalmack vom 11.4.16
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Jetzt bin ich hier, Ballhaus Thisisitgirl, Schaubühne
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