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Romeo und Julia

Liebe über den Tod hinaus

„Es war die Nachtigall und nicht die Lerche... „ So beschwört Julia ihren scheidenden Geliebten Romeo, weil sie sich nicht von ihm trennen kann. Ahnt sie doch, dass es das letzte Mal sein könnte, dass sie ihn in ihren Armen halten kann. Bei Andreas Kriegenburgs Inszenierung im Thalia in der Gaußstraße wiederholen die beiden Liebenden die Passage insgesamt fünf Mal, um den Abschied so lang wie möglich hinaus zögern zu können. Mit Daniel Hoevels als Romeo und Olivia Gräser als Julia ist kein bisschen langweilig – so ausdrucksstark und variantenreich ist ihr Spiel. Hier in diesem Part der Inszenierung ist Kriegenburg ganz beim Shakespeare-Text angekommen, während er sich im Prolog die Freiheit nahm, auf seine Weise in die Szenerie der zerstrittenen Familie der Montagues und Capulets einzuführen.
Im Foyer begann das Schauspiel, direkt über den Köpfen der sitzenden und stehenden Zuschauer. Auf einer eingezogenen Glas- und Stahlempore, zwischen den Zuschauern und auf den Tischen startete der Abend furios. Mit Schlagstöcken bewaffnet trudeln die Familienmitglieder ein und schlagen auf das Stahlgeländer einen harten Beat. Ein glänzender Auftakt, der durch die eindrucksvolle Kostümierung noch verstärkt wurde. Andrea Schraad hatte den Figuren in ideenreiche Anzüge und Kleider aus Stoff mit Tapeten- und Sofamustern gewandet. Durch ihre weißgeschminkten Gesichter und weißen Mähnen im Albinolook wirkten sie wie wandelnde Untote. Die einzig Lebendigen unter ihnen sind die beiden Protagonisten Romeo und Julia mit ihrer gesunden Gesichtsfarbe und in ihren weißen unschuldigen Kleidern.
Während sich der Auftakt der unterhaltenden Einstimmung widmete, beschäftigte sich der zweite Teil nach dem Umzug auf die Studiobühne ganz den überbordenden Gefühlen, der Liebe, dem Hass, der Rache, dem Verlust und dem Schmerz. In dem weißen schmucklosen Bühnenkasten hängt lediglich eine Holztafel an einer Kette von der Decke. Auf ihr sind die beiden Namen der Liebenden mit Kreide verzeichnet. Um sie dreht sich alles. Sie können nicht zusammen gesehen werden und gehören doch zusammen wie zwei Seiten einer Medaille. In diese Whitebox kippen die Familienmitglieder Kübel mit Patronenhülsen, die für unsichere Bodenhaftung sorgen. Jede der Nebenrollen ist exzellent besetzt, wobei Helmut Mooshammer als Pater und Judith Hofmann als Amme aus dem Ensemble heraus ragen. Julia leidet wie ein in die Ecke getriebenes Tier, dass hilflos dem Willen der Anderen ausgeliefert ist. Olivia Gräser schreit, winselt, weint ihren Schmerz mit jeder Faser ihres Körpers heraus, während Daniel Hoevels nicht weniger heftig, aber in sich gekehrter an seiner unmöglichen Liebe zu Julia leidet. Konzentriert auf das sich immer weiter anwachsende Leid steigert Kriegenburg ganz im Sinne Shakespeares das Drama bis zum bitteren Ende, der die beiden Liebenden im Tode vereint und zu einem Mythos werden lässt. Jubelnder Applaus erwartete das Ensemble verdient am Ende der dreieinhalbstündigen Aufführung.
Birgit Schmalmack vom 24.9.07

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