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Norway.today
Ich suche jemanden, der mit mir gemeinsam Selbstmord begeht. Mit diesem Ansinnen tritt die kesse Julie mit ihrem hoch toupierten blonden Pferdeschwanz auf die Bühne. Eine Lebensmüde hat man anders vorgestellt. Eher so wie August, der sich tatsächlich angesprochen fühlt und mitten aus dem Publikum zu Julie auf die Bühne kommt. Auch er fühlt sich unwohl in diesem Leben. Nur die Aussicht es jederzeit beenden zu können, vermochte ihm ein Gefühl der Beruhigung zu vermitteln. Unten die Menschen passe er nicht, das wurde ihm immer wieder klar. Dass nun auch die selbstbewusste Julie reist ihn aus seiner Schüchternheit. Er outet sich. Ich passe nicht in diese Gesellschaft, die immer nur spielt, nie wahr sein darf.
Julie übernimmt die Führung in dem Selbstmordprojekt. Sie weiß, wo es stattfinden soll. Julie und August machen sich auf. „Schön ist es hier.“ Findet August, als sie an der Klippe angekommen sind. Für Julie schon zuviel der Emotionen. Sie will diese Momente kurz vor dem Ende ganz bei sich sein und auskosten. Doch August will seine Unsicherheit wegreden. Der intelligenten Jungen muss sich Julie geschlagen geben. Warum sie denn unbedingt zu zwei in den Tod gehen wollte, wenn sie jetzt nur schweigend bei sich sein wolle. Die vorgeblich lebenssatte Julie muss zu geben, dass auch sie Fragen beschleichen, die sie bisher weit von sich gewiesen hatte. Noch nicht alles hat sie im Leben ausgekostet. Die Motive sind unterschiedlich Julie meint schon alles ausgekostet zu haben, August ist so desillusioniert, dass er nichts mehr erwartet. Julie will ein erfülltes Leben selbstbewusst beenden, August ein unerfülltes Leben resignierend. Zwangsläufig kommen sie sich näher als geplant. Sie geben mehr voneinander preis als sie vorgehabt haben. Sie lassen in ihre eigenen Abgründe blicken, schrecken noch vor den Konsequenzen zurück. Vielleicht hat Julie, so gibt sie zögernd zu doch nicht alles ausgekostet?
Zaghaft bleiben die Annährungen. Nur im Konjunktiv wagt man die Annäherung. Dabei umtänzeln sich die beiden Darsteller ohne sich zu berühren. Mit dem Handy nehmen sie letzte Worte für die Angehörigen auf. Sie merken, dass sie umso wahrhaftiger klingen je gefakter sie sind. Das Spiel um Wahrheit und Show wird immer undurchsichtiger. Die Sicherheiten bröckeln. Zum Schluss haben sie ihre Rucksäcke wieder über die Schulter gehängt und gehen nebeneinander im hellen Lichtkegel ins Helle.
Regisseurin hat den starken Text von Igor Baursima ganz pur auf die Bühne gestellt. Ihre zwei tollen Darsteller vollbringen die Meisterleistung eine Stunde lang mit ihren Gedanken zu fesseln. D. verlegt die Kontaktanbahnung vom Internet in die Bühnenrealität. Ein Kniff, der die Lebensfrustationen der Beiden ganz dicht an die Zuschauer heranholt. Keine Unterstützung durch Bilder, Requisiten. Perfekt geeignet für Schulvorstellungen, bei die Bilder im Kopf entstehen müssen.

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