Needcompany
Needcompany
Verschwenderischer Umgang mit Ideen
Ein größerer Kontrast zum vorherigen stringenten Abend von Keersmaeker, der dem Minimalismus geweiht war, ließe sich kaum vorstellen. Wenn man die Needcompany im „Lobster Shop“ besucht, ist die Reizüberflutung Programm. Sie erzählen ihre Geschichte mit Tanz-, Video-, Theater- und Performanceelementen.
Auch wenn die Psychotherapeutin als Erzählerin die wirre Geschichte zu strukturieren vorgibt, dient das eher dazu die Zuschauer auf eine Fährte locken, in der sie sich nur hoffnungslos verirren können. Wenn das Wort „End“ auf dem Bildschirm erscheint, haben sich zwar viele der verwirrenden Puzzleteile zusammen gefügt, aber einige Fragezeichen, die der Zuschauer mit aus dem Bühnensaal nimmt, bleiben. Irritationen sind Teil des Erzählprogramms.
Es geht um einen Mann namens Axel (Hans Peter Dahl), der Schuld auf sich geladen hat. Bei einem Ausflug mit seinem Sohn hat der Junge einen Unfall, bei dem der Vater zu spät reagiert. Sein Sohn fällt ins Koma und stirbt, als das Krankenhaus von Straßenbanden angezündet wird. Einer der Herumvagabundierenden ist ausgerechnet ein junger Mann, der vom Vater, einem Genetikwissenschaftler, selbst als Klon zum Leben erweckt worden ist. Die Ehe des Mannes mit Teresa (Grace Ellen Barkey) zerbricht unter diesen Belastungen. Axel beschließt seinem Leben ein Ende zu setzen. In diesem Moment läuft sein Leben wie im Schnelldurchlauf schlaglichtartig vor seinem inneren Auge ab.
Diese Kernstory hätte sicher schon für einen skurrilen Theaterabend gesorgt. Doch das war für Jan Lauwers und seine Truppe aus Brüssel nicht genug. Bei ihnen spielen außerdem zahlreiche absurde Randfiguren eine entscheidende Rolle in der Story um Axel: ein Fischer, ein russischer Lastwagenfahrer, ein Bootsflüchtling, ein vierzehnjährige Prostituierte und ein Bär. Sie alle bevölkern die mit weißen Styroporformen gestaltete Bühne und die Vorstellungskraft der Zuschauer. Zeitsprünge sorgen für zusätzliche Verwirrung. Und die immer wieder aufgeworfene Frage: Was ist real und was entspringt nur der Fantasie der Beteiligten? Oder spielt eigentlich das gar keine Rolle?
Voll mit Eindrücken, Bildern und Fragen geht man aus der Vorstellung, die glatt für mehr als einen Theaterabend gereicht hätten.
Birgit Schmalmack vom 2.9.08
hamburgtheater - Kritiken für Hamburg seit 2000