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Megalopolis

Megalopolis
Exakt komponiertes Chaos
Völlig nackt tanzt die Frau zwischen den Betonbauten. Noch ist ihr nicht bewusst, dass die Straße voller Leute ist, die sie anstarren. Die Anonymität und der damit einhergehende Verlust von Distanzgrenzen sind Begleiterscheinungen des Lebens in Großstädten. Tätigkeiten, die eigentlich in die Privatsphäre gehören, geschehen in der Öffentlichkeit. Menschen streiten sich, lieben sich, schreien, essen, telefonieren, chatten und leben ihre Eigenarten zur Ansicht aller aus.
Die Bühne zeigt eine Großstadtkulisse, deren Horizont von Wolkenkratzern verstellt ist. Zwei Flachbauten sind von einer Dachterrasse überzogen. Ein Callcenter ist auf der rechten Seite eingerichtet, auf der linken liegt ein riesiger Müllhaufen. Das dreizehnköpfige Berliner Ensemble Dorky Park erzählt in „Megalopolis“ unter der Regie von Constanza Macras Geschichten, die Megacities charakterisieren. Sie zeigt zerrissene Familien und Stadtplanungsgrößenwahn, Kommunikations- und Orientierungslosigkeit, Lärm und Hektik, Begegnung und Einsamkeit.
Macras internationales Team wird dabei zum Spiegelbild der zahlreichen Einwanderungsgeschichten einer Metropole. Hier wird englisch, japanisch, chinesisch, portugiesisch und deutsch gesprochen. Wenn die Verständigung über die Sprache schwierig wird, gelingt sie vielleicht über den Tanz und die Musik. Die unterschiedlichen Hintergründe der Compagniemitglieder werden zur Fundgrube für die Choreographien. Temporeiche Pas de deux wechseln mit gekonnten schwerelosen Abwicklungen in der Luft und auf dem Boden, Muskelshows auf der Terrasse, stuntgleichen Sprüngen und Breakdanceeinlagen. Knieschützer gehören zur Standardausstattung dieser Gruppe. Die Tänzer springen durcheinander, werfen sich auf den Boden, stoppen erst kurz vor der Bühnenrampe und wirbeln sich gegenseitig durch die Luft. Was wie ein Chaos wirkt, ist wohl komponiert. Ihre Performer sind nicht nur Tänzer sondern zugleich Schauspieler, Sänger und Musiker.
Das sprudelnde, zufällig aufeinander treffende Leben in einer Großstadt fängt Macras in schnellen, energiegeladenen Szenen ein. Ein Abend, der die Thalia-Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hinriss.
Birgit Schmalmack vom 7.2.11

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