Lieblingsmenschen
Lieblingsmenschen
Die Balance finden
Das Studium – eine Zeit der Selbstfindung, des Lernens, der Prüfungen, der Partys, des sexuellen Ausprobierens, des Verlieben und der Trennungen. Sprich eine Zeit der ständigen Hinterfragungen und Neuorientierungen in beruflicher und privater Hinsicht. In dieser Phase stecken die sechs jungen Leute, die die Schauspielhausschauspielerin Laura de Wieck in ihrem Theaterstück „Lieblingsmenschen“ beschreibt.
Die Balance zu finden in seinem Leben ist schwierig. Allein ist ein anderes Gleichgewicht gefragt als zu zweit. Kommen weitere Personen hinzu, muss es immer wieder neu austariert werden. Dieses Bild ist ein wiederkehrendes Motiv in Karin Drechsels Inszenierung. Der Balancebalken steht mitten auf dem Bühnenplatz zwischen den zwei Zuschauertribünen. Auf ihn steigen nacheinander alle sechs Schauspieler und schaffen es schließlich alle gleichzeitig freihändig das Brett in der Schwebe zu halten.
Anna (Lena Münchow) ist schon sechs Jahre mit Philipp (Martin Winkelmann) zusammen. Ganz anders verläuft das Liebesleben der beiden ehemaligen Schulfreundinnen Lili (Laura Jakschas) und Jule (Lisa Grosche): Beiden haben wechselnde Männerbeziehungen, obwohl sie eigentlich auf der Suche nach der ganz großen Liebe sind. Auf den raubeinigen Darius (Alexander Merbeth) sind beide scharf. Dieser scheint aber eher auf Abenteuer als auf eine feste Bindung zu stehen. Als Anna plötzlich ihre Beziehung zu Philipp beendet – und das kurz vor den Prüfungen – wird das Beziehungsgeflecht der Freunde neu aufgemischt. Plötzlich bekommt sogar Spaßmacher Sven (Christian Wincierz) eine Rolle darin zugebilligt: mal als Lückenbüßer und mal als witzige Abwechselung.
Regisseurin Drechsler hat sich eine wunderbar passende Location für ihre Inszenierung ausgesucht: den versteckten Amphitheatergarten von GartenKunstNetz e.V. in der Schanze. Das wildromantische Gartenkunstwerk mit kleinen Hütten und den verdeckten Auf- und Übergängen bildet die perfekte Kulisse für die amourösen Erfahrungen der sechs jungen Leute. Ein Liebesnest kann auf der zweiten Etage gebaut werden. Die WG-Küche von Philipp und Sven findet im Küchentresen Platz. Der Feuertopf schwärzt das Gesicht des abenteuerlustigen Darius.
Drechsler erzählt aus einem sehr humor- und liebevollen Blickwinkel von den Lern-, Lebens- und Liebesproblemen junger Menschen. Ihr und ihrem überaus präsenten Team gelang dabei aufs Beste die schwierige Balance zwischen Ernst und Unterhaltung zu halten.
Birgit Schmalmack vom 24.6.08
hamburgtheater - Kritiken für Hamburg seit 2000