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Frühlings Erwachen
Lohnt sich Leben überhaupt
Ficken ist das was ich liebe. Am liebsten Jungfrauen!
Ficken; lecken, Blasen – das scheinen die Lieblingsthemen der Jugend von heute zu sein. Die New Yorker Kids aus dem Jahre 1995 sind bestens aufgeklärt. Die Probleme der Jugend zu Zeiten Wedekind dürften sie also nicht mehr belasten. Unaufgeklärt schwanger zu werden wie Wendla, kann ihnen nicht mehr passieren. So steht der ehrgeizige unwissende Moritz staunend unter einen alles zeigenden Musikvideo von Modanna. Das heutige Problem ist schon eher die HIV-Infektion, die man sich unwissentlich holen kann.
Daniel Wahl lässt in seiner Inszenierung zur Spielzeiteröffnung die beiden Welten aus Frühlings Erwachen und Kids aufeinander prallen. Dazwischen stehen die Senioren, die den Dialog der Generationen herbeiführen sollen. Doch sie kommen nur wenig zu Wort. Die junge Generation bestimmt mit ihrer Energie und Spielfreude das Geschehen auf der Bühne. Das ausführliche Programmheft zeigt mehr von dem Dialog, der im Probenprozess stattgefunden haben muss, als die knapp einstündige Inszenierung. In der Begräbnisatmosphäre der Bühne schwärmen die einen vom Ficken geiler Jungfrauen und sorgen sich die anderen um die nicht bestandene Abiturprüfung. Die einen schlagen den alten Melchior zu Boden und die anderen wagen die strenge Mutter nicht einmal zu fragen, woher die Kinder kommen. Die Welt hat sich verändert, doch die Jugendlichen stehen anscheinend so alleine und hilflos vor ihren Problemen wie damals. Der viel beschworene Dialog findet in der Erfahrungswelt dieser Jugendlichen genauso wenig statt wie hier auf der Bühne.
Birgit Schmalmack vom 3.9.10
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