Franzobel
Franzobel
Schwab lässt grüßen
Werner Schwab könnte sein älterer Bruder sein: Franzobel (ein Pseudonym für: Stefan Griebel) scheut sich vor keinen Tabubruch. Die österreichische Heimat scheint ihren Sinn für Zynismus, makabere Provokationen und überzeichnete Farcen nur gesteigert zu haben. Die Attacken gegenüber dem verbürgerlichten Katholizismus werden mit Lust am Absurden gefahren.
Da hängt der verfressene Jesus im Schoß seiner treu sorgenden und kochenden Mama (Verena Reichhardt) seine Zeit ab. Die sexuellen Bedürfnisse seiner jungen Frau sind ihm dagegen eher lästig. Die Erweckung durch einen Rollstuhl fahrenden, alten Engel katapultiert den lethargischen Jesus in ganz neue Sphären. Erleuchtet von den geistlichen Herausforderungen von ganz oben und den Erwartungen der saturierten, verkommenen Menschheit schwingt er sich auf zu einem Erretter für die ganze Gesellschaft. Eine Arche muss her, um die Rettungswürdigen in Sicherheit zu bringen. Das Schlauchboot, das Jesus schließlich anschleppt, soll Platz für den geilen Engel, die abgelegte Ehefrau, den inzwischen gläubigen Staubsaugervertreter und Jesus selbst bieten. Nur ein göttliches Wunder könnte es dafür tauglich machen. Das bleibt aus und als erste Maßnahme wird der Erleuchtete selbst über Bord gestoßen.
Was allerdings die islamistische Selbstattentäterin Raja in diesem Stück zu suchen hat, wird nicht deutlich. Sie bleibt die einzige Figur, die eindimensional und flach wirkt. Franzobel hätte sich vielleicht doch auf seinen, ihm wohl bekannten Kulturkreis beschränken sollen.
Eine überdrehte Farce hat Franzobel geschrieben. Wenn „Wir wollen den Messias jetzt“ im Rahmen der Kiezstürmer von Felix Rothenhäuser auf der Reeperbahn zu nächtlicher Stunde aufgeführt wird, erregt dies kaum die Gemüter der Zuschauer im St. Pauli-Theater. Tabus in diesem Umfeld zu brechen, würde noch härtere Geschütze erfordern als Religionsvertreter, die Zoten reißen und mit Engeln „f...“ Die Demontage religiöser Heilsbringer erschreckt hier kaum jemanden mehr. So wird es eher ein vergnügliches Theaterspektakel, das angemessen auf eine Partynacht vorbereitet, die jede weitere Regel schnell vergessen lässt.
Birgit Schmalmack vom 30.10.07
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