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Einsame Menschen

Einsame Menschen

„Wenn wir nur wollen“,...vermutet Anna Mahr halb fragend, halb bestimmt (Marie-Therese Fontheim), als sie den triefend nassen und zitternden Johannes (Lukas Vögler) umarmt. Johannes Familie tönt im Hintergrund: „Du kannst, wenn du nur willst.“ Johannes blickt hin und her und erwidert: „Ich will!“ Doch was? Will er bei seiner pragmatischen Ehefrau (Wiebke Wackermann) und seinem Kind bleiben, mit denen im Haus seiner Eltern lebt? Oder will er mit der hoch gebildeten Anna Mahr einen Neuanfang wagen?
Gerhard Hauptmann schildert in seinem Stück „Einsame Menschen“, wie in einer Familie, die selbst Anna Mahr als glücklich und liebevoll wie keine zweite erscheint, die Mitglieder einsam und ohne tiefere Verbindung nebeneinander her leben. Die Diplomantin der Theaterakademie Franziska Henschel hat daraus eine Sprach- und Bewegungsoper gemacht. Wie Spielfiguren agieren die Personen nach Hauptmanns Textanweisung auf der leeren Bühne in der Kampnagelhalle. Dennoch oder vielmehr gerade deswegen geschieht das Wunderbare: Jede der Personen wird zu einem nachfühlbaren Charakter, der in seinem Schicksal berührt. Durch die markante Körpersprache, die Henschel zu jeder der Rollen erschuf, werden die Persönlichkeitszeichnungen umso eindrücklicher.
Johannes ist ein instabiler Charakter, der mit schlenkerigen, weichen Bewegungen nach seinem Lebensweg sucht. Seine Mutter (Susanne Stangl)versucht mit gerader Körperhaltung und markanter Diktion für Orientierung im Familienchaos zu sorgen. Der Vater (Tomek Nowicki) bemüht sich dagegen mit stetem Lachen bei Allem, was er sagt, um die gute Stimmung. Johannes Ehefrau Käthe gibt das kleine Blondchen, das sich verzweifelt mit zaghaften, unterwürfigen, schmeichelnden Bewegungen um Zuneigung in der angeheirateten Familie bemüht. Anna Mahr ist dagegen die elegante kluge Frau mit den weit ausholenden Tanzbewegungen, die für Aufsehen sorgt. Eine spannende, anregende Arbeit mit einem innovativen Regiestil, für Henschel wunderbare Darsteller gefunden hat.
Birgit Schmalmack vom 8.6.09

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